Nach dem Lesen der ersten Seiten dieses Kriminalromans war ich versucht, die Lektüre abzubrechen und mich einem anderen Buch zu widmen. Der Handlungsstrang in Japan hatte (vermeintlich) so überhaupt gar keinen Zusammenhang mit der Buchbeschreibung, die mich zum Herunterladen des Buches veranlasst hatte. Zusätzlich war mir bereits klar geworden, dass es sich bei diesem Krimi so ziemlich genau um das Gegenteil eines Cosy-Crime handelt. Und diese Erkenntnis weckt bei mir immer sogleich unliebsame Erinnerungen an (m)einen Stalker aus der Anfangsbloggerzeit.
Dieser Hater, wie den Kommentator wohl heute bezeichnen würde, hatte mich aufgrund einer Krimi-Vorstellung im Sofagarten entdeckt und mich daraufhin nicht nur mit ekelhaften «künstlerischen» Bildern im Internet beglückt, sondern auch für schlimme Morde in Nordeuropa (mit)verantwortlich gemacht. Auf nähere Details will ich hier nicht eingehen. Die Lektüre des Thrillers «Der Botaniker» habe ich schliesslich trotzdem fortgesetzt und es nicht bereut. Mord ist Mord und tot ist tot – egal welche Details der Autor der Leserin zumutet. Der Inhalt dieses Buches ist zweifellos deutlich brutaler als meine sonstige Gartenkrimilektüre. Aber die Geschichte ist äusserst spannend geschrieben. Scheinbar unlösbare Rätsel in Kombination mit Blumen, Gedichten und Gift – das muss doch in meinen Gartenbuchblog passen!
Die erste Mordwaffe ist eine Alraune (Mandragora), die zweite eine Houttuynia, von der bei Gärtnern wohl vor allem die mehrfarbige Variante bekannt ist, welcher Jörg Pfenningschmidt vor Jahren in seiner leider eingestellten Kolumne in der Gartenpraxis einen Spitzenplatz in der Rangliste lästiger Pflanzen zugeteilt hat. Ich fand das damals etwas übertrieben, habe es dann irgendwann aber verstanden, obwohl deren buntes Laub in meinem Vorgarten hervorragend zu Hosta und Cyclamen hederifolium passt. Inzwischen bin ich aber recht zuversichtlich, dass sich mein persönliches Houttuynia-Problem durch die zuletzt sehr heissen Sommer erledigt hat. Aber ich schweife schon wieder ab.
Neben den Opfern finden sich jeweils Gedichte mit getrockneten Blumen. Die Mordserie geht weiter und obwohl die Giftanschläge jeweils angekündigt werden, gelingt es der Polizei nicht die Empfänger zu schützen. Dem Täter gelingt es sogar, eine Art Kultstatus in der Öffentlichkeit zu erreichen, weil er sich für seine Taten unsympathische Personen aussucht. Das auf den Fall angesetzte Team der National Crime Agency unter der Leitung von Stephanie Flynn tappt im Dunkeln.
Parallel zu diesem Fall wird die zum Ermittlungsteam gehörende Pathologin Estelle Doyle verhaftet, weil sie ihren Vater umgebracht haben soll. Detective Sergeant Washington Poe glaubt keine Sekunde an die Schuld seiner Kollegin und Freundin, doch weder die Spuren noch Indizien scheinen einen anderen Schluss zuzulassen. Die verschiedenen Tatorte liegen viele Autostanden voneinander entfernt und haben doch eine Verbindung. Das Aufdecken der klug verschachtelten Zusammenhänge zwischen den beiden Fällen ist eine grosse Herausforderung. Wichtige Lösungsansätze liefert immer wieder die Analystin Tilly Bradshaw, deren unterentwickelte Sozialkompetenz samt naiver Ehrlichkeit durch ihren messerscharfen Verstand ausgeglichen wird. Jedenfalls meistens. Und sonst erfreut man sich über den darauffolgenden englischen Humor.
Den Werdegang des Botanikers und die Aufdeckung der Hintergründe, die als Konsequenz zu den Giftanschlägen geführt haben, hat der Autor in einen spannenden Pageturner gepackt. Dieser lebt nicht zuletzt durch die interessanten Charaktere der verschiedenen Protagonisten und deren auch negativen, zuweilen komischen Eigenschaften.
Dieses Buch ist das fünfte einer englischen Serie. Gelegentlich fehlt einem als Leser Vorwissen aus den vorherigen Büchern, die aber (noch?) gar nicht auf Deutsch erschienen sind.
M.W. Craven:
Der Botaniker
Droemer, 2023
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.