Die Mitvierzigerin Esther Dumanskis steckt ihr ganzes Herzblut in die Pension «Sonnenblume» in der Nähe des Starnberger Sees, aber ohne Blick auf das Gewässer. Leider führt riesiges Engagement allein nicht zu einer hohen Bettenauslastung und entsprechend positiven Umsätzen. Sämtliche Ersparnisse hat die Inhaberin in dieses Projekt investiert. Trotz aller negativen Vorzeichen versucht sie, die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass die abgelegene Pension, die früher ein Ausflugslokal war, zum Rentieren gebracht werden kann. Unterstützt wird sie von ihrem Mann Julius. Er hat ihr eben mitgeteilt, dass das schmelzende in Fonds investierte Restvermögen ebenfalls keine Erträge abwirft.
Die zunehmend leeren Kassen müssen dringend gefüllt werden und Esther will den Turnaround mit einer neuen Idee in greifbare Nähe rücken. Und zwar bietet die leidenschaftliche Hobbygärtnerin neu einen Feriengartenkurs an, der mit einem Aufenthalt in der «Sonnenblume» kombiniert wird. Neben der idyllisch am Waldrand gelegenen Pension hat Esther einen gepflegten Gemüsegarten angelegt, der die Küche dank ihrer Hingabe zuverlässig mit frischem Grünzeug versorgt. Und auch fürs Auge und die Insekten ist gesorgt – es blüht in vielen Farben und Blütenformen und ein Teich lädt zum Baden ein. Ihre Liebe zum Gärtnern und ihr botanisches Wissen möchte Esther nun Feriengästen vermitteln. Es stehen etwa Learning by Doing mit ihrem japanischen Lieblingswerkzeug, dem Hori-Hori, und Kräuterspaziergänge auf dem Programm. Esther hofft, urlaubsreife Städter mit diesem Angebot aufs Land locken zu können.
Zu den ersten Gartenkurteilnehmerinnen und -teilnehmern zählen eine filmaffine Physiotherapeutin, ein Friseur ohne Führerschein, der (legal) Rallyes fährt, sowie ein Buchhändler, der sich gerne als Wikinger ausgibt. Der abendliche Kennenlernumtrunk der bunt zusammengewürfelten Truppe wird durch einen Schrei unterbrochen. Als die Gäste samt ihrer Gastgeberin Esther der Ursache des Wehrufs auf den Grund gehen, entdecken sie eine leblose Frau. Doch als die alarmierte Polizei kurze Zeit später eintrifft und zur Leiche geführt wird, ist diese spurlos verschwunden.
Diese Tatsache beschäftigt die Gartenneulinge am nächsten Tag mindestens so sehr wie die Übungssequenzen am Hochbeet, das Esther extra für die Kursteilnehmer angelegt hat. Die hortikulturellen Instruktionen werden nämlich immer wieder durch Überlegungen zum Leichenfund unterbrochen. War die Frau wirklich tot? Das Gedankenkarussell der Gartenworkshopteilnehmer dreht noch deutlich schneller als die tot geglaubte Frau in der Pension auftaucht und sehr lebendig ein Zimmer bezieht. Kurze Zeit später führt ein abermaliger Schrei zum Auffinden eines weiteren toten Körpers, eines zweifellos toten Körpers.
In der Folge ermittelt die Pension Sonnenblume-Truppe mehr, als dass sie sich in die Geheimnisse der Botanik einführen lässt und unter dem Kernteam der privaten Schnüfflergruppe wächst der Verdacht, dass der Mörder einer der Kursteilnehmer ist. Denn während es im Garten nach Vanille, Zimt und Nelken duftet, interessiert sich ein Gast auffallend stark für Esthers Erläuterungen zu Giftpflanzen.
Die ersten zwei Drittel der Lektüre empfand ich als eher schwerfällig und die Beschreibungen der tödlichen Verletzungen hätten nach meinem Geschmack auch weniger detailliert ausfallen dürfen. Erst nach rund zweihundert gelesenen Seiten hatte ich grössere Lust, das Buch in die Hand zu nehmen. Es nahm mich nämlich wunder, ob ich mit meiner Vermutung über die Auflösung des Falls richtig lag. Und tatsächlich konnte ich nach etlichen aufregenden und unvorhersehbaren Wendungen mit Genugtuung feststellen, dass ich tatsächlich recht hatte.
Thomas J. Fraunhoffer:
Der Mörder ist selten der Gärtner
Lübbe, 2025
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.