Auf dieses Buch bin ich aufmerksam geworden, weil es einen hortikulturellen Hintergrund versprach und auf der Insel Rügen spielt. Diese Sachverhalte schienen den Roman trotz dem mir missfallenden englischen Titel des deutschen Buches als Ferienlektüre zu qualifizieren. Tatsächlich habe ich ihn im vorletzten Sommer auf Rügen gelesen, wo wir Wanderferien verbracht hatten. Ich fand es spannend, während der einen oder anderen der geführten Routen an Orten vorbeizukommen, über die ich im Roman gelesen hatte, wie etwa dem Grümbketurm. Wir waren zwar nicht nachts auf dem Aufsichtsturm wie die Romanhelden aus «Wellenbrechen», dafür haben wir tagsüber von der Plattform einen Seeadler beobachten können.
Auch die junge Gärtnerin Emilia stammt nicht von der deutschen Ostseeinsel. Sie hat aber keine Wanderferien gebucht, sondern einen längeren Aufenthalt geplant, weil sie Abstand zu ihren Eltern schaffen will. Ihr Verhältnis zu Mutter und Vater ist nämlich äusserst schwierig. Die erfolgreichen Anwälte haben die Berufswahl ihrer Tochter zu keinem Zeitpunkt akzeptiert und auch sonst kann oder will die Tochter die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.
Als Emilia das Stelleninserat einer älteren Frau auf Rügen entdeckt, die eine Hilfe für Haus und Garten sucht, sieht die Junggärtnerin darin die Gelegenheit, ihr ungeliebtes Daheim hinter sich zu lassen und kündigt ohne Bedauern ihre Stelle in einer Gärtnerei. Mit dem Wegzug von der Bodenseeregion auf die Ostseeinsel legt Emilia zwischen sich und ihre fordernden Eltern sowie die anspruchsvolle Chefin Fiona, der sie in Anlehnung an eine anspruchsvolle Tropenpflanze den Übernahmen Fittonia verpasst hat, Hunderte von Kilometer.
Im Haus von Frau K., einer sehr aktiven älteren Witwe, die immer noch in einem Theater arbeitet, findet Emilia eine neue Bleibe. Frau K. braucht wegen ihrer Hüftprobleme Unterstützung in Haushalt und Garten. Für Tai-Chi im Grünen genügt die Beweglichkeit gerade noch, doch die Gartenpflege überfordert die geistig jung gebliebene Frau. Auf dem grossen Grundstück, das von hohen Buchsbaumhecken und Eichen gesäumt wird, und im Gewächshaus soll deshalb Emilia ihr berufliches Wissen in die Praxis umsetzen. Hier bieten sich der jungen professionellen Gärtnerin auch ausreichend Gelegenheiten, sich mit ihrem Regenwurm-Problem auseinanderzusetzen, das nicht so richtig zu ihrer Berufswahl passt. Gleichzeitig bietet die Insel Emilia eine Menge an Pflanzenmaterial, das sie auf Ausflügen sammelt, presst, trocknet und hernach in ein Herbarium klebt und ordentlich mit Namen und Fundort beschriftet.
Emilia und Frau K. haben sofort einen guten Draht zueinander und planen verschiedene Veränderungen im Haus, die sie auch rasch in Angriff nehmen. Zu Emilias neuem Umfeld gehören ausserdem eine ständig schlecht gelaunte rot getigerte Katze und der Meeresbiologiestudent Colin. Der Enkel von Frau K. ist wenig begeistert über die plötzliche Anwesenheit von Emilia im Leben seiner Grossmutter und die Renovationen im Haus.
Während der Lektüre macht nicht nur Emilia abseits vom elterlichen Einfluss eine grosse persönliche Entwicklung durch. Sie reift an den Auseinandersetzungen mit Colin und schliesslich stellen beide Seiten fest, dass Vorurteile niemandem nützen. Und wie der Steinhaufen im Garten aus vielen Steinen der Erinnerung aufgeschichtet worden ist, reift Emilia durch neue Erfahrungen, gewinnt Selbstvertrauen und schafft sich eigene gute Erinnerungen. Schicht um Schicht.
Meine Kriterien fürs Sofagärnern erfüllt übrigens auch die vier Titel umfassende Inselgärten-Reihe von Patricia Koelle, welche ebenfalls auf der Insel Rügen spielt. Bei Gelegenheit widme ich diesen Büchern und der Sehnsuchtswaldreihe einen Blogpost.
Rebekka Zeiss:
Wellenbrechen – You smell like summer
Piper Verlag, 2023
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.