Sharon Gosling: The Secret Orchard

Nina hat in den letzten fünf Jahren zusammen mit dem Vater die Crowdie Farm geführt, welche seit Generationen in Familienbesitz ist. Ebenso lange wird sie von ihrem nächsten Nachbarn und guten Freund Cam dabei unterstützt. Aus Ninas Sicht ist ihrer älteren Schwester Bette immer alles einfach zugefallen; sei es ein gutes Einkommen oder ein eigenes Häuschen. Sie selber hingegen war eine schlechte Schülerin und hat die Schule schnellstmöglich ohne höheren Abschluss beendet und ist als alleinerziehende Mutter für ihren Sohn Barnaby verantwortlich.

Die Beerdigung ihres Vaters Bern Crowdie führt zu einem der seltenen Treffen der beiden Schwestern Nina und Bette, die sich nie sehr nahegestanden sind. Das liegt einerseits an dem Altersunterschied von rund zehn Jahren und andererseits an unausgesprochenen Vorwürfen und Ereignissen, die viele Jahre zurück liegen. Die Mutter der beiden Frauen versucht zu vermitteln, doch die Gräben aus Groll und Bitterkeit sind tief.

Schon als Teenagerin fühlte sich Nina von Bette im Stich gelassen. Denn nachdem die Mutter nach der Scheidung vom Vater ins Ausland gezogen war, hat sie sich eine engere Bindung oder sogar einen schwesterlichen Mutterersatz gewünscht. Doch genau zu jener Zeit ist Bette nach London gezogen und nur noch sehr selten heimgekommen.

Aktuell steht die sechsunddreissigjährige Anwältin Bette kurz davor, Partnerin einer renommierten Kanzlei zu werden. Ihr ganzes bisheriges Leben und Arbeiten hat sich die junge Frau auf dieses Ziel fokussiert. Gleichzeitig rennt sie vor einem Ereignis in der Vergangenheit davon, das wie ein Schatten über ihrem Leben liegt, wovon Bette aber keine Ahnung hat.

Die Testamentseröffnung verläuft nicht wie erwartet. Der Vater hat kurz vor seinem Tod den seinen Töchtern einst kommunizierten letzten Willen abgeändert ohne die beiden Schwestern zu informieren. Es steht sehr schlecht um die unprofitable Familienfarm. Die beiden Frauen erfahren, dass die Farm bis übers Dach mit Hypotheken belehnt ist und die Ratentilgung seit Jahren in Verzug. Vor einiger Zeit hat Bette ihre Ersparnisse in eine unaufschiebbare Dachreparatur gesteckt. Auch das war Nina nicht bekannt. Für Nina ist nicht nur die Höhe der Verschuldung ein Schock, sie fühlt sich vom Vater verraten. Da die beiden Schwestern gemeinsam als Erbinnen des väterlichen Nachlasses eingesetzt sind, müssen sie sich zusammenraufen, um eine Lösung für Zukunft der Farm zu finden.

Die Leserin kann ganz gut nachvollziehen, weshalb es Nina zu Beginn nicht schnell genug gehen kann, bis ihre Schwester wieder aus Schottland verschwindet. Doch auch Bette wünscht sich nichts mehr, als so rasch als möglich zurück nach London zu fahren. Doch sie nimmt sich gezwungenermassen ein paar freie Tage, um die Papiere im Büro des verstorbenen Vaters zu sichten und sich einen Überblick über die ganze Misere zu verschaffen.

Nach rund vierhundertfünfzig gelesenen Romanseiten haben die Schwestern tatsächlich eine tragfähige Beziehung zueinander aufgebaut und es graut Nina davor, dass Bette nach Australien auswandern will. Dazwischen liegt die Entdeckung eines beiden Schwestern unbekannten versteckten Obstgartens auf ihrem Land. Als Kind war dieser Ort eine streng verbotene Zone, da er direkt an die steilen Klippen grenzt. Die Leserin hat von diesen gefährlich gelegenen Orchard Garden schon in der Einleitungssequenz erfahren, die in die Vergangenheit führt. Der Fund löst Recherchen aus, in deren Verlauf sich herausstellt, dass die Ernten von diesen alten Apfelbäumen früher zu einem ganz besonderer Cider verarbeitet worden ist. Ihre Freundin aus Kindertagen erinnert Bette an ein handgeschriebenes Buch über eine junge Frau und einen geheimen Orchard Garden, welches sie als Mädchen zusammen gelesen und als Novelle betrachtet hatten. Kann mit der Entdeckung dieser Apfelbäume die finanzielle Schieflage der Crowdie Farm ins Lot gebracht werden?

Ich mag den Schreibstil der Autorin (siehe auch hier). Die von ihr geschaffenen Charaktere haben Ecken und Kanten und Sharon Gosling verknüpft gekonnt Vergangenheit und Gegenwart zu einem stimmigen Ganzen. Auf den letzten paar Dutzend Seiten überschlagen sich in diesem Roman die (zuvielen?) Ereignisse. Nach tragischen Geschehnissen keimt immer wieder ein Pflänzlein Hoffnung auf und natürlich kommt auch die Romantik nicht zu kurz. Und so ganz nebenbei liest man über die Vermehrung von alten Apfelsorten und die Hege und Pflege von Obstbäumen.

Das Buch erscheint im kommenden Juni auch auf Deutsch, und zwar unter dem Titel «Der alte Apfelgarten» (Dumont Buchverlag).

 

Sharon Gosling:
The Secret Garden
Simon and Schuster, 2024
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.

 

 

 

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