Die Wrexford and Sloane-Fälle von Andrea Penrose sind der Regency Epoche angesiedelt, einer kurzen Ära zwischen 1810 und 1820, benannt nach dem Prinzregent George. In diesem Jahrzehnt fanden viel prägende soziale und politische Änderungen statt und es entwickelten sich neue Industriezweige. In diesem fünften Band der Buchreihe, in welcher der hoch intelligente Wissenschaftler Wrexford und die kluge Künstlerin Charlotte Sloane ermitteln, steht anstelle des technischen Fortschritts die Botanik im Mittelpunkt. Die Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden. Ich habe bis jetzt nur Band fünf mit hortikulturellem Hintergrund gelesen, aber ich kann mir gut vorstellen, gelegentlich noch die Lektüre der übrigen Titel der Serie nachzuholen.
Charlotte Sloane ist nicht nur die künftige Frau des Grafen Wrexford. Sie ist auch Vormund und Ersatzmutter von zwei ehemaligen Gassenkindern, die in Kürze mit ihr in den Haushalt des Earls umziehen. Und die Künstlerin deckt als bekannte Karikaturistin unter dem Pseudonym A.J. Quil Skandale und Verfehlungen der Schönen und Reichen auf. Nur wenige Eingeweihte wissen, wer hinter A.J. Quil steckt. Auch als verheiratete Frau und trotz der mit dem Eintritt in die von ihr oft angeprangerte Gesellschaftsschicht verbundenen neuen Bekanntheit will Charlotte die Öffentlichkeit weiterhin mit spitzer Feder auf Missstände hinweisen. Ihr Bräutigam vertritt eine durchaus fortschrittliche Haltung. Er ist im Bild über die geheime zweite Identität seiner Verlobten und hat einen Ehevertrag aufgesetzt, gemäss dem seine künftige Frau durch die Ehe nicht in ihren Freiheiten eingeschränkt wird und Geld zur alleinigen Verfügung hat. Man bedenke, der Roman spielt im London des 19. Jahrhunderts und Frauen gehören ihren Männern. Nun, zumindest im Roman gibt es Ausnahmen
In diesem fünften Band verfolgt die Leserin neben den von der Braut als eher lästig empfundenen Hochzeitsvorbereitungen das Zusammenspiel von Sloane und Wrexford anlässlich eines Todesfalls im Königlichen Botanischen Garten in London, wo auch die beiden zusammen an einem Anlass teilnehmen wollen. Charlotte trifft auf einen alten Bekannten aus Italien und die offensichtliche Vertrautheit der beiden missfällt Wrexford.
Josiah Becton, der Hauptredner der Veranstaltung, wird kurz bevor er seine wichtige medizinische Entdeckung vor der Fachwelt im botanischen Garten präsentieren kann, tot aufgefunden. Wrexford wird gebeten, sich den Toten anzusehen und ihm entgehen natürlich nicht die weisen Pulverrückständen in dessen Mundwinkeln. Schnell steht der Verdacht im Raum, dass es sich um keinen natürlichen Todesfall handelt. Unterstützt wird die Vermutung von Zeugenaussagen, welche dokumentieren, dass das Opfer vorgängig bedrängt wurde, seine Entdeckungen zu verkaufen.
Der Mord im botanischen Garten ist eigentlich das perfekte Thema für eine A.J. Quill-Karikatur. Doch als angehende Gräfin sind muss sie berücksichtigen, dass ihrem Verlangen, die Öffentlichkeit zu informieren, andere Interessen gegenüberstehen. Schliesslich hat die botanische Gesellschaft einen tadellosen Ruf und ihr Verlobter ist wie etliche seiner Freunde sind selber Mitglied der Royal Society. Und sollen sich Sloane und Wrexford tatsächlich so kurz vor der Hochzeit tatsächlich in Mordermittlungen stürzen?
Die beiden Verlobten bezeichnen sich selber (Zitat aus dem Buch) «als zwei fein gearbeitete Duellpistolen, die stets geladen und bereit zum Feuern sind». Und gemäss diesem Motto findet sich neben Kleideranproben und der Auswahl anderer Wichtigkeiten noch genügend Zeit, verschiedene Verdächtige vom Verdacht, in die Machenschaften rund um die medizinische Entdeckung des Mordopfers verstrickt zu sein, reinzuwaschen. Etliche plausible Theorien erweisen sich denn auch als Sackgasse, bis der überaus verstrickte Kriminalfall gelöst ist und das Ergebnis ist für die Leserin nicht vorhersehbar.
Neben dem botanischen Garten als Tatort sorgen Lieferpapiere zu verschiedenen Nuss- und Nadelbäumen aus Neuengland für die Sammlung der Royal Society und privater Kollektoren sowie die Hinweise auf früher von Charlotte rund um die Ruinen des Römer Kolosseums erstellte Wildblumenzeichnungen für weitere hortikulturelle Erwähnungen. Und die Rolle des Arztes Hosack im Buch basiert auf dem New Yorker Arzt David Hosack (1769 – 1835), der sich für die Schaffung botanischer Gärten in Amerika eingesetzt und selber Elgin Botanic Garden gegründet hat, den ersten medizinischen botanischen Garten der USA.
Andrea Penrose:
Mord in den Royal Botanic Gardens (Ein Fall für Wrexford and Sloane 5)
dp Verlag, 2023
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.