Nach vielen Jahren Armchair Gardening bin ich inzwischen ziemlich immun gegenüber Versuchungen in Form von reich bebilderten grossformatigen Gartenbüchern. Einerseits wegen akutem Platzmangel auf meinen Regalen und anderseits auch aus sich vermehrt durchsetzenden Gründen der Vernunft. Schliesslich stehen vorhandene Lesezeit und ungelesene Lektüre schon länger in einem eklatanten Ungleichgewicht. Für die Publikation «Die wunderbaren Gärten von Cornwall» habe ich wieder einmal meine Prinzipien über Bord geworfen und die sind jetzt halt gewissermassen gleich nass, wie der Grund, der mich zum Buchkauf verleitet hat.
Auf knapp hundertfünfzig Seiten finden sich im Buch zwanzig alphabetisch geordnete Gartenportraits, von Bonython Estate Gardens, Penjerrick Garden und St Michael’s Mount Gardens über Tate St. Ives/Barbara-Hepworth-Skulpturengarten bis Trevince Estate Gardens. Im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis folgt das Vorwort von Tim Smit, einem der Mitbegründer von Eden Project Cornwall und gleichzeitig einer der Wiederentdecker der Lost Gardens von Heligan. Nach einer Einleitung und Hinweisen zum klimabegünstigten Cornwall folgen die mehrseitigen Gartenportraits, alle grosszügig illustriert mit Fotografien von Jo und Rob Wihtworth.
Bei einem ersten Durchblättern erregen besonders die Fotos grosse Aufmerksamkeit. Seien es Bilder von dicht bepflanzten Reihen mit australischen Taschenfarnen (Dicksonia), faszinierende Magnolien, riesige Rhododendron in unterschiedlichen Farben oder hohe, ausladende Araukarien. Die Fotos geben Einblick in eine üppige Pflanzenvielfalt. Denn dank den klimatischen Bedingungen Cornwalls wachsen hier viele exotische Pflanzen, die in anderen britischen Landesteilen nicht gedeihen und sorgen schon früh im Jahr für blütenreiche Höhepunkte. Im Buch finden sich aber auch kornische Gärtner, die bewusst Pflanzen kultivieren, welche im Hochsommer auftrumpfen und Kombinationen aus Kerzenknöterichen, Storchschnabel, Sonnenhut, Astern und sich im Wind wiegenden Gräsern schätzen.
Die Lektüre führt in die Vergangenheit von reichen Familiendynastien, die Pflanzenexpeditionen nach Fernost mitfinanziert haben und deren Resultate noch heute in den Gartenanlagen der Nachfahren zu bewundern sind und die das geschichtliche und kulturelle Erbe bewahren und weiterentwickeln. Spannend zu lesen sind die Zeilen über den «Potager Garden» in Constantine, dessen Gärtnerteam ausschliesslich aus Freiwilligen besteht, die zusammen mit einem Leiter, der auch das Café und verschiedene Handwerkerateliers und Künstlerateliers betreut, anstehende Projekte diskutieren und gemeinsam Entscheide fällen. Hier ist der Prozess wichtiger als das Ergebnis. Letzteres sieht auf den Fotos aber tadellos aus.
Ziemlich spleenig mutet eine Anekdote aus «Prideaux Place» in Padstow an, die in der Besitzerfamilie von einer Generation an die nächste überliefert wird. Ein Vorbesitzer soll Besuchern stolz seine viktorianischen Blumenbeete mit Drachenbäumen und Cannas gezeigt haben. Währenddem die Gäste den Gottesdienst in der Kirche besucht haben, wurden durch vierzehn Gärtner alle Beete neu bepflanzt, so dass die Gäste bei der doch sehr zeitnahen Rückkehr einen anderen Blumenflor vorfanden. Ob der Gottesdienst sehr lange gedauert hat? So oder so bringt das Golfstromklima viele Vorteile. Doch die Gärtner von am oder in der Nähe der verschiedenen Meere (Atlantik, Ärmelkanal, Keltische See) gelegenen Gärten kämpfen mit den extremen Herausforderungen, die salzhaltige Winde und heftige Stürme mit sich bringen. Umso mehr beeindruckt die Pflanzensammlung (Proteas, Sukkulenten und viele andere exotische Gewächse) des in der Nähe von Land`s End gelegenen Minack Theatre Gardens, der das gleichnamige Freilichttheater umrahmt.
Leider war anlässlich meiner persönlichen (geführten) Reise in den Südwesten von Grossbritannien nur ein Gartenbesuch geplant, und zwar jener der Lost Gardens of Heligan. Zufälligerweise war gerade der österreichische Nationalgärtner Karl Plobergen mit seiner Reisegruppe gleichzeitig auf dem Busparkplatz. Eine Mitreisende aus dem östlichen Nachbarland hat die Gelegenheit für ein Erinnerungsfoto genutzt und war erstaunt, dass ich erkannt habe, mit wem sie sich hat ablichten lassen. Einen Tag nach dem Besuch von Heligan standen Land’s End und St. Ives auf dem Programm. Leider regnete es an diesem Tag nur einmal. Und zwar heftig und es war ausgesprochen stürmisch. Vor der Tate Gallery in St Ives habe ich hin und her überlegt, ob ich (in völlig durchnässten Klamotten und Schuhen und obwohl die Zeit kaum für einen schnellen Rundgang genügen würde) rein soll. Ich habe schliesslich die Eintrittsgebühr gespart und das Geld eben in dieses Buch investiert.
Auch der Barbara-Hepworth-Skulpturengarten zählt zu den ausführlich in Wort und Bild vorgestellten wunderbaren Gärten von Cornwall. Und ebenso wird St. Michaels Mount Gardens portraitiert. Hier sah unser Programm sowieso nur einen Fotohalt mit Blick auf diese Insel vor, so dass es mich nicht besonders störte, dass der Bootsbetrieb eingestellt war. Es war nämlich schon nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, die Kamera ruhig zu halten, um ein paar (graue) Fotos zu knipsen.
Am Ende des Buches findet die interessierte Leserin Besucherinformationen zu den Gärten mit Adresse, Webseite und allfälligen Öffnungszeiten und ein Register. «Die wunderbaren Gärten» ist ein Buch zum Schwelgen – als Vorbereitung für Cornwall-Ferien oder vielleicht wie bei mir als Nachlese. Ich habe ein eher zwiespältiges Verhältnis zu ausgepflanzten Palmen, Bananenstauden und anderen exotischen Pflanzen in englischen (und hiesigen) Gärten. Die Fotos in der Publikation haben meine Vorbehalte etwas ins Wackeln gebracht.
Tim Hubbard:
Die wunderbaren Gärten von Cornwall
Gerstenberg Verlag, 2024
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.