Wer schon auf meinem Instagram-Account herumgestöbert hat, kennt vielleicht meine Freude an am Wegrand zu endeckenden einheimischen Orchideen. Inzwischen kenne ich etliche Orte in der lokalen Umgebung und weiss, wann ungefähr welche Schönheiten wo zu entdecken ist oder worauf bei der Suche zu achten ist. Ich bin selten in alpinen Regionen unterwegs. Umso eindrücklicher waren die vielen verschiedenen Wildorchideen, die ich Anfang Juli rund um die Schatzalp und auf dem Weg herunter nach Davos bewundern konnte. Nachdem feststand, dass wir das Erst-August-Feiertags-Wochenende ohne die hiesige Knallerei und Feuerwerke im Vorarlberg verbringen würden, habe ich im neuen Orchideen-Wanderführer von Peter Nachbaur nach Inspiration gesucht. Natürlich war mir klar, dass der Zeitpunkt für Orchideenblütenhöhepunkte überschritten war. Trotzdem haben wir eine Route aus dem Buch ausgewählt und wir sind im Hinteren Laternsertal dem Garnitzabach entlang auf die gleichnamige Alpe marschiert.
Da dieses Ziel bereits nach einer knappen halben Stunde erreicht war (ohne eine einzige Wildorchidee erblickt zu haben), sind wir dann einfach dem schmaler und steiler gewordenen Weg weiter gefolgt. Kartenmaterial hatten wir nicht dabei, Handyempfang gab es nicht und ich hatte am Abend vorher keine Offline-Karte heruntergeladen. Wegen den für vierzehn Uhr angekündigten Unwettern hatten wir uns früh auf den Weg gemacht und die Absicht war, längstens bis halb zwölf Uhr den Berg hoch zu wandern und dann wieder umzukehren, um vor einem allfälligen Gewitter wieder im Tal unten beim Parkplatz zu sein.
Tatsächlich waren wir vor elf Uhr auf der Alpe Saluver. Beim bergigen Aufwärtslaufen ist der Blick mehr auf die eigenen Füsse zu richten und sind die Schritte besser abzuwägen als auf den hiesigen mehrheitlich ebenen und einfachen Wanderwegen. Trotzdem habe ich unterwegs einige wenige blühende (oder eher verblühende) Orchideen entdeckt. Eine Wiese oben auf der Alpe muss ein paar Wochen früher orchideenmässig eine Augenweide gewesen sein. Anfang August waren nunmehr eine grosse Anzahl Knabenkaut-Gerippe auszumachen. Nun, es war trotzdem eine schöne Wanderung und ich erfreute mich umso mehr an den vielen blühenden Sterndolden (Astrantia) und blauen Eisenhüten (Aconitum), welche den Weg säumten.
Auf dem Rückweg über die selbe Route habe ich dann plötzlich eine um die andere einheimische Orchidee gesehen (zumeist Knabenkräuter), die mir beim Aufstieg nicht aufgefallen ist. Ob es an den veränderten Lichtverhältnissen oder der anderen Anstrengung beim Abstieg als beim Aufstieg lag? Jedenfalls waren auch diese gesichteten Exemplare mehrheitlich verblüht. Erst bei näherer Betrachtung offenbarten ein paar blühende Stendelwurze ihre zarte Schönheit. Und kurz vor Erreichen des Parkplatzes habe ich tatsächlich noch eine rosa blühende Orchidee entdeckt, die innerhalb Route des Wandervorschlags aus dem Führer blühte.
Einen Tag später war die Örflaschlucht in der Nähe der Grenze zur Schweiz Ziel einer weiteren kurzen Wanderung. Als Highlight präsentierte sich ein schönes Schwalbenschwanzexemplar als ruhiges Model an einer besonnten Mauer in einem Einfamlienhausquartier. Im kühlen Schatten entlang dem Emmebach wuchsen zahlreiche Mondviolen. Von den weiss blühenden Pflanzen waren nur noch Samenstände auszumachen, aber es musste sich wohl um Lunaria rediviva handeln. Ich kann mich nicht erinnern, dieser Pflanze hierzulande schon einmal in einem feuchten Wald begegnet zu sein. Vielleicht gelingt es mir, die mitgenommenen Samen zum Keimen zu bringen? Frühere Versuche mit gekauften Sämereien der violetten Sorte sind leider misslungen.
Zurück zum Orchideenführer: Im Vorarlberg wachsen Mücken-Händelwurz, Breitblatt-Fingerwurz, Hohlzunge und Purpur-Waldvögelein und armblütige Fuchs-Fingerwurz um nur einige zu nennen. Auf den rund zweihundert Seiten finden sich im Buch dreissig Wandervorschläge zu Zielen, wo Wildorchideen wachsen. Die Routen sind aufgeteilt in die Regionen Bodensee- und Rheintal, Bregenzerwald, Walgau, Grosses Walsertal, Tannberg und Klostertal sowie Brandnertal und Montafon. Jeder Tipp enthält einen informativen Text zur Wanderung, einen kleinen Kartenausschnitt mit Routenverlauf, Landschaftsbilder und detaillierte Nahaufnahmen von den dort vorkommenden Orchideen, anderer Flora und über Fauna sowie eine Tabelle mit den wichtigsten Informationen zu Wegverlauf, Anreise, Startpunkt, Anforderungen an den Wanderer, Einkehrmöglichkeiten, Beste Orchideenzeit und Orchideenvorkommen. Ein Blühkalender mit Gefährdungsstatus der im Buch vorgestellten Arten und Unterarten sowie ein Register mit den deutschen und volkstümlichen Namen der Orchideenarten runden die interessante Publikation des Orchideenspezialisten Peter Nachbaur ab.
Peter Nachbaur:
Orchideenwanderungen in Vorarlberg
Tyrolia-Verlag, 2024
PS: Beim nochmaligen Durchblättern des Buches habe ich festgestellt, dass die Wanderung durch die Örflaschlucht auch darin steht. Und im Titel des betreffenden Kapitels steht «Von Hirschzungen, Mondviolen und Orchideen»… Was steht in Schaffhausen am Schwabentor? Lappi tue d’Augen uf! Immerhin weiss ich jetzt, dass ich richtig gegoogelt und geschlussfolgert habe.
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.