Alina hatte ein enges Verhältnis zu ihrer verstorbenen Oma Lena, weiss aber noch nicht sehr lange, dass sie französische Vorfahren hat. Ihre Mutter Camilla, die selber nach dem Tod der Mutter aus Dokumenten im Nachlass der Verstorbenen erfahren hat, dass sie die Tochter eines Franzosen ist, weigert sich mit ihrer eigenen Tochter Alina über dieses Thema zu diskutieren. Camilla war ein Papa-Kind mit einem innigen Verhältnis zu ihrem schon vor längerer Zeit verstorbenen Vater und hat kein Interesse daran, in der Vergangenheit zu wühlen. Alina hingegen will das Rätsel um den unbekannten französischen Grossvater und seine Rolle im Leben der Grossmutter lösen.
Seit dem Ende von Band 1 der Frankreich-Serie sind einige Jahre vergangen. Alina ist inzwischen selbständige Gartenfotografin und wohnt glücklich zusammen mit Florian, dem Gartenreiseführer mit der hinreissenden Stimme, in einer kleinen Wohnung in Paris. Die Corona-Pandemie hat die beiden Selbständigen finanziell heftig getroffen und die zeitwilligen Ausgangssperren auf engem Raum waren eine Herausforderung für die Beziehung der beiden.
Seit mit Ende der pandemiebedinten Einschränkungen Reisen wieder möglich sind, sind beide oft getrennt unterwegs. Sie verstehen es aber, dank modernen Kommunikationsformen trotzdem zeitnah und intensiv am Leben des Partners zu partizipieren, auch wenn sie örtlich getrennt sind. Während Florian gerade mit einer Gartenreisegruppe Madeiras Flora erkundet, hat Alina den Auftrag erhalten, die Gärten an der Côte d’Azur fotografisch ins beste Licht zu rücken und klettert dafür schon einmal über Zäune, wenn frühmorgens bei optimalen Lichtverhältnissen vergessen worden ist, das Tor für sie zu öffnen.
Die begeisterte Fotografin füllt in Südfrankreich nicht nur Speicherkarten mit tollen Gartenmotiven, die sie aus den verschiedensten Blickwinkeln ablichtet, Alina entdeckt auch Spuren, die zu ihrem französischen Grossvater führen. Alina ist einer einheimischen Historikerin beim Erforschen eines speziellen Buchmanuskripts behilflich und durch diesen Kontakt tun sich ihr selber plötzlich neue Recherchiermöglichkeiten auf. Aber gleichzeitig wachsen auch Alinas Vorbehalte. Darf sie den ausdrücklichen Wunsch und die Gefühle ihrer Mutter diese deutsch-französische Geschichte betreffend einfach ignorieren? Will sie tatsächlich ein Zerwürfnis riskieren? Gleichzeitig ist Florian, mit dem sich Alina gerne über diese Zwickmühle austauschen möchte, plötzlich nicht mehr telefonisch erreichbar und reagiert auch nicht auf wiederholte Textnachrichten, so dass sie zu hinterfragen beginnt, ob das Vertrauen in ihren Lebensgefährten gerechtfertigt ist.
Alina folgt schliesslich ihrem Instinkt und findet immer mehr Details über die gemeinsame Vergangenheit von Antoine und Helena heraus, an welchen die Leserin in der zweiten Erzählebene des Romans partizipiert und sowohl Alina als auch Oma Lena im Kopfkino begleitet über Kieswege zu den spektakulärsten Aussichten aufs Mittelmeer und verborgenen Stellen in Gärten, wo Kunstobjekte auf eine Entdeckung warten oder Bänke für intime Gespräche in Vergangenheit und Gegenwart.
Elena Eden hat eine wunderbare Erzählung über Anfänge und Umwege in Lebensläufen und verpasste Gelegenheiten geschrieben. Thematisiert werden der Druck von gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und das daraus resultierende Dilemma zwischen Konventionen und den eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Und natürlich geht es um Monets Seerosen (und um sein Bett). Nebenbei vermittelt die Autorin in der Lektüre spannende hortikulturelle Informationen zum älteesten Olivenbaum in Frankreich, das Leben und die Sammeltriebe von Beatrice de Rothschild und über Ferindand Bac, der schon vor hundert Jahren auf eine klimataugliche Bepflanzung in seinem Mittelmeergarten gesetzt hat.
Falls Sie beabsichtigen, den einen oder anderen Garten aus dem Roman selber zu erkunden, wäre der März 2025 vielleicht eine gute Gelegenheit, solche Pläne Wirklichkeit werden zu lassen. Dann findet nämlich an der Côte d’Azur ein Gartenfestival statt. Und sofern die nächste Fortsetzung der Frankreich-Serie wieder ein ähnlicher «Seitenumdreher» wie dieses Buch wird, warte ich gerne vier Jahre auf die Publikation und lese vielleicht in der Zwischenzeit den Irland-Gartenroman «Der Garten der Harfe» noch einmal.
Der Garten im Licht (Frankreich-Serie 2)
Eigenverlag, 2024
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.