Victor Ottmann: Der Orchideenjäger

Orchideen üben seit jeher eine grosse Faszination auf zahlreiche Menschen aus. Hier im Gartenbuchblog habe ich schon wiederholt spannende Bücher (fiktive und auf realen Geschichten basierende) rund um diese riesige weltweit vorkommenden Pflanzenfamilie vorgestellt, etwa The Scent of Scandal – Greed, Betrayal and the World’s Most Beautiful Orchid von Craig Pittman, «Aphid in my Eye – Adventures in the Orchid Trade» von Tom Powell sowie «The Cloud Garden» von Tom Hart Dyke. Kürzlich habe ich die Erzählung «Der Orchideenjäger» gelesen, die erstmals vor über hundert Jahren veröffentlicht worden ist.

Während heutzutage viele der im Blumenhandel angebotenen Orchideen als Massenware fachkundig in einem Labor vermehrt und in sterilen Gefässen gezogen worden sind, nahmen sogenannte Orchideenjäger früher immense Strapazen auch sich, damit die Wünsche ihrer Auftraggeber oder deren Kunden nach den betörenden Wunschobjekten in vielfältigen Formen und Farben erfüllt werden konnten. Unerschrockenheit war hilfreich, aber alleine nicht zielführend. Es galt nicht nur Wetterkapriolen von gleissender Sonne und Sonnenbrand über Kälte und Nässe, zu überstehen, oft kam weiteres Ungemach in Form von tropischen Krankheiten und tierischen Angriffen dazu, sei es von Insekten, Reptilien oder grossen gefährlichen Tieren wie etwa Pumas oder Gepards. Weitere Herausforderungen waren nicht wohlgesinnte, oft abergläubische Eingeborene und nicht zuletzt andere Orchideensammler.

Fundorte wurden gierig leergesammelt oder auch brandgerodet, damit die Konkurrenten dort auch sicher keine Orchideen mehr sammeln konnten. Und natürlich gehörte auch das Streuen von falschen Informationen oft verbunden mit hinterhältigen Täuschungsmanövern. Von den in die Alte Welt verschifften Beute-Pflanzen gingen viele bereits auf der Überfahrt zugrunde. Die Orchideen in Europa langfristig am Leben zu erhalten und sogar zum Blühen zu bringen, war zwar nicht mehr so gefährlich wie die Jagd nach diesen Pflanzen, aber ähnlich schwierig und erforderte grosse gärtnerische Erfahrung und Kenntnisse.

Victor Ottmann hat einen spannend verfassten Einblick in die strapaziöse Orchideenjagd geschrieben. Ich habe nicht herausfinden können, ob diese Erzählung autobiografisch ist oder Fiktion. Vielleicht eine Mischung aus beiden? Jedenfalls kämpft der Orchideenjäger im Buch insbesondere gegen einen Konkurrenten, der es auf die hohe Erfolgsprämie abgesehen hat. Letzterer schreckt nicht vor Intrigen zurück und schafft es sogar, einen Spion in die gegnerische Suchtruppe zu schleusen. Auf der Suche nach der heiligen Wunderorchidee Sobralia mystica geht es für die Sofagärtner lesend vorbei an riesigen Mahagoni-, Feigen- und Seidenwollbäumen, in deren Unterholz Baumfarne wachsen, begleitet von Vogelkonzerten. Nebenbei erfährt man einiges über die Eroberung Südamerikas durch die Spanier und Portugiesen und einheimische Bräuche.

Das Buch ist auch in seiner modernisierten Fassung oft schwierig zu lesen. Besonders negativ aufgefallen ist mir die Überheblichkeit des europäischen Erzählers gegenüber der einheimischen kolumbianischen Bevölkerung, wenn es etwa um das Tragen von schwerem Gepäck geht. Zwei Publikation über Orchideen, gelesen während Blogpausen, kann ich demgegenüber ohne Einschränkungen empfehlen, nämlich «Orchideenpoker» von Nelly Cornelius und «Verstörend betörend – im Bann der Orchidee» von Noemi Harnickell aus dem Jahr 2022.

 

 

Victor Ottmann: 
Der Orchideenjäger
diverse Ausgaben – erstmals erschienen 1922

z.B. Carpe Diem, 2024 (modernisierte Fassung)

 

Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.

 

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