Julia Reymers: Die kleine Gärtnerei in der Heide

Seit vielen Jahren sind Sophies Mutter und deren Schwester Hanne zerstritten. Ebenso lange hatte Sophie keinen Kontakt mehr zu ihrer Tante Hanne, ohne zu wissen, warum die Schwestern eigentlich nicht mehr miteinander sprachen. Nun ist die Tante verstorben und hat ihrer Nichte Sophie die Gärtnerei vererbt. Als Kind hat Sophie oft ihre Ferien bei der alleinstehenden Tante im Heidedorf Bienenbeek verbracht. Diese Tage waren ausgefüllt mit Unternehmungen samt Erdbeerenstibitzen mit dem einheimischen Jugendfreund Sebastian. Und so ganz nebenbei hat Sophie dannzumal viele gärtnerische Praktiken vermittelt bekommen und auch floristische Fähigkeiten wie das Heidenkranzbinden erworben.

Gerade kürzlich hat Sophies Freund nach sieben Jahren Beziehung die Verlobung gelöst. Um sich von der schmerzlichen Trennung abzulenken und sich ihr Erbe anzuschauen, nimmt sich die junge Frau ein paar Tage frei von ihrem Job in einer Personalabteilung. Sie fährt ohne die Lehrbücher, die sie für die bevorstehende Zwischenprüfung ihres Zusatzstudiums zur Wirtschaftsprüferin durcharbeiten sollte, von ihrem Wohnort Münster nach Bienenbeek.

Die Erbmasse besteht aus einer heruntergekommenen Gärtnerei mit Blumenladen und einem Wohnhaus. Einzig eine integrierte Wohnung hat Hanne nicht Sophie, sondern deren Freund aus Kindertagen vermacht. Die erste Begegnung zwischen Sophie und dem erwachsenen Sebastian ist ernüchternd. Während Sophie dazu tendiert, das Erbe keinesfalls zu verkaufen, verfolgt Sebastian andere Absichten. Er ist überzeugt, dass eine Renovation der heruntergekommenen Gebäude nicht zu finanzieren ist und eine Gärtnerei in der Heide nicht erfolgreich betrieben werden kann. Als Hufschmied mit einem Einmann-Heidefahrtenbetrieb, für den Investitionen anstehen, ist er nicht auf Rosen gebettet und die Einnahmen aus dem Verkauf seiner geerbten Wohnung wären mehr als willkommen. Ein interessierter Immobilienmakler mit detaillierten Plänen für eine moderne Überbauung steht auch schon mit unterschriftsreifen Verträgen bereit.

Sophie ihrerseits beginnt sofort mit Aufräumarbeiten, kleinen Instandstellungen, bringt erste Beete auf Vordermann und sät Samen aus. Sie macht Bekanntschaft mit dem beeindruckenden Zusammenhalt der Bewohner von Bienenbeeker und kann ab dem Tag ihrer Ankunft im Dorf auf eine immense Unterstützung der gut vernetzten Landfrauen und von Mitgliedern anderer Vereine zählen. Zusammen mit ihrer Freundin Lotte aus der Stadt stellt Sophie einen Businessplan auf, wie die Gärtnerei wieder eröffnet und selbsttragend geführt werden kann. Doch die Verhandlungen mit den lokalen Banken sind wenig erspriesslich. Nicht zuletzt, weil die Städterin ihre hortikulturellen Fähigkeiten nicht mit entsprechenden qualifizierten Abschlüssen nachweisen kann und ihre Tante Hanne als Gärtnerin und Floristin bekanntermassen selber mehr schlecht als recht über die Runden gekommen ist.

Während Sophie sich vorerst nicht von negativen Bankeinschätzungen unterkriegen lässt und sich nichtdestotrotz mit Wiedereröffnungsabsichten beschäftigt, ereignen sich verschiedene merkwürdige Vorfälle, welche die Fortführungspläne torpedieren und in Frage stellen. Welche Rolle spielt Sebastian bei diesen Zwischenfällen?

In die Lektüre fliessen verschiedentlich Pflanzentipps ein, etwa zum Rückschnitt von Rittersporn für eine Nachblüte oder Informationen über moderne Züchtungen von Besenheiden, die ihre Blüten zugunsten einer langen Blühdauer nicht öffnen und somit für Bienen wertlos sind. Im Anhang der Lektüre findet sich «Sophies Pflanzenregister».

Die Autorin vermag die Leserin mit ihrem Schreibstil in den Bann zu ziehen. Geschickt schafft sie Parallelen zwischen Episoden in der Vergangenheit und solchen in der Gegenwart. Der Roman handelt nicht nur von den Schwierigkeiten, die Heidegärtnerei zu retten und dem Zusammenhalt der meisten Bewohner (insbesondere der Frauen) von Bienenbeek, sondern auch um zwischenmenschliche Beziehungen. Sophie findet aus ihrem Liebestief und thematisiert wird auch das Aufarbeiten des schwierigen Mutter-Tochterverhältnisses zu ihrer Mutter, welche Sophies Annahme der Erbschaft als Vertrauensmissbrauch einstuft.

Durch die bildlichen Landschaftsbeschreibungen fühlte ich mich während dem Lesen unmittelbar in den letzten Sommer zurückversetzt, als wir auf dem Weg nach Rügen in der Lüneburger Heide einen mehrstündigen Zwischenhalt einlegten. Anlässlich einer kurzen geführten Wanderung haben wir einen kleinen Einblick in dieses Naturreich bekommen. Der Zeitpunkt war die Heideblüte betreffend suboptimal. Der Besuch des Heidegartens Schneverdingen hat uns (oder eher mich) ein wenig entschädigt, aber eigentlich empfand ich den Abstecher in die Lüneburger Heide auch ohne lila Blüte als schönes Erlebnis.

«Die kleine Gärtnerei in der Heide» ist Band 2 einer Reihe, kann aber unabhängig vom 1. Buch gelesen werden.

  

Julia Reymers:

Die kleine Gärtnerei in der Heide

Dotbooks Verlag, 2024

Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.

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