T.L. Mogford: The Plant Hunter

Harry Compton arbeitet 1867 als Verkäufer der Nursery Piggot an der King’s Road in Chelsea. Einst gab es hier über zwanzig Gärtnereien, doch inzwischen mussten etliche dem unersättlichen Ausbreitungsdrang Londons weichen. Trotzdem ist die Gegend immer noch ein Paradies für solvente Städter, die hier viel Geld für exotische Blumen und Pflanzen ausgeben können, das die Pflanzenjäger aus der ganzen Welt hierherschaffen. Harry hat ein Händchen für Pflanzen und ihre Bedürfnisse, doch an diesen Fähigkeiten hat sein Arbeitgeber kein Interesse. Ausschliesslich adrettes Aussehen und Verkaufstalent sind gefragt, damit die Kassen klingeln.

Die Geschichten der Pflanzenjäger rund um das Suchen und Finden von unbekanntem, neuen Grünzeug faszinieren den jungen Verkäufer. Doch dem einundzwanzigjährigen Harry fehlen nicht nur die Gelegenheit, sondern auch der Mut, sich selber auf die Jagd nach dem grünen Gold aufzumachen. Per Zufall erhält er als Gegenleistung für seine Hilfsbereitschaft von einem schottischen Pflanzensammler eine Botanisierbüchse samt einer gepressten weissen Blüte und einen Kartenausschnitt von China, auf dem der Fundort des Icicle-Tree eingezeichnet ist. Diesen Baum ist allgemein nur aus Legenden und den Berichten von Marco Polo bekannt.

Harry versucht, die Karte in London gewinnbringend zu verkaufen, wird dabei aber beinahe übers Ohr gehauen. Er erkennt den Betrugsversuch, flieht und versteckt sich bei seinem Vater auf dem Land. Seine Verfolger spüren ihn dort auf, aber sein Vater unternimmt alles, damit er entkommen kann und bezahlt seine Hilfe mit dem Leben. Harry kann nicht belegen, dass der inzwschen verstorbene Schotte ihm die Karte tatsächlich geschenkt hat und befürchtet, dass ihm die Polizei nicht nur einen Diebstahl, sondern auch den gewaltsamen Tod seines Vaters unterstellt. Mit der Bürde eines nicht begangenen Mordes, sieht er sich gezwungen, sein Vaterland zu verlassen und eine Rückkehr nach England scheint damit ausgeschlossen.

Zusammen mit seinem Hund Wilberforce macht sich der junge Mann auf dem Schiffweg Richtung China. Schon die Reise über die Meere ist abenteuerlich und lebensgefährlich. Schliesslich treffen Hund und Meister in der chinesischen Hafenstadt Shanghai, dem Tor zum Landesinneren ein. Harry versucht zunächst, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Er muss aber schnell erkennen, dass dies ein schwieriges, wenn nicht sogar unmögliches Vorhaben ist. So begibt er sich gezwungenermassen mit einem Empfehlungsschreiben, das ihm sein Vater kurz vor seiner Ermordung mitgegeben hat, zum Haus eines Verwandten von Harrys früh verstorbenen Mutter.

Doch der gesuchte Familienangehörige ist drei Monate zuvor verstorben und Harry wird von dessen Witwe Clarissa empfangen. Die junge Frau unterstützt ihn in der Folge und sorgt auch für seine Pflege, als er schwer erkrankt. Schliesslich finden sich die beiden jungen Engländer als Zweckgemeinschaft auf einer Expedition ins Innere von China wieder. Angepeiltes Ziel: den Standort der Icicle Trees zu finden, Material zur Vermehrung sammeln und detailgetreue Zeichnungen anfertigen. Das getroffene Arrangement entspricht nicht so richtig Harrys Vorstellungen, doch mangels anderer Optionen stimmt er widerwillig zu.

Mit gemieteten Booten, einem lokalen Führer und wichtigen, mit den notwendigen Stempeln versehenenen Papieren, die den Ausländern eine Reise ins Innere von China überhaupt erlaubt, macht sich die Expeditionsgesellschaft auf den Flussweg. Nicht nur Wettereinflüsse und die Wasserstrassen sind gefährlich, Gefahr droht auch von Piraten. Trotzdem findet Clarissa Gelegenheit zum Malen und Harry füllt seine Botansierbüchse  und schliesslich auch die mitgeführte Ward’sche Kiste mit Gardenia, Meconopsis, Cornus und vielem anderen. Die Eindrücke, die auf die Europäer einprallen sind vielfältig und die Lektüre gibt auch Einblick in den Opiumhandel und die Opiumkriege.

Wer sich schon mit Pflanzenjägerbiografien beschäftigt hat, erkennt in diesem Roman unschwer Parallelen zu echten Biografien, etwa zu jener von Ernest Wilson (1876-1930) und dessen Suche nach dem Taschentuchbaum (Davidia). Ein spannender Roman, der Einblick gibt, in die Strapazen, die Pflanzenjäger auf sich genommen haben, um die Gier nach immer neuen Pflanzenschätzen zu befriedigen. Das Ende des Romans lässt die Leserin etwas zwiespältig zurück – ist das Happyend nun passend oder doch eher nicht?

 

T.L. Mogford:

The Plant Hunter

Welbeck Publishing Group, 2022

 

Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.

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