Nachdem die heissen Tage für dieses Jahr (endlich) vorbei sind (hoffentlich), ist es auch schon wieder höchste Zeit, sich Gedanken über Zukäufe von Frühjahrsblühern in Zwiebelform zu machen, die nun in die Erde sollten, damit im nächsten Frühling in bunten Farben und Blütenformen geschwelgt werden kann. Mein Garten ist ziemlich vollgepflanzt und es ist inzwischen sehr schwierig geworden, Platz für Neuzugänge zu finden ohne beim Eingraben von Blumenzwiebeln oder -knollen irgendwelche Verluste an Grünzeug zu generieren.
Es kommt natürlich immer wieder vor, dass die eine oder andere Pflanze verschwindet, weil die Larven des Dickmaulrüsslers zugeschlagen haben oder aus irgendwelchen anderen, oft nicht nachvollziehbaren Gründen. Wenn es sich bei Abgängen nicht um Lieblingspflanzen handelt, dauert es gelegentlich länger bis ich solche Verluste bemerke. Aktuell bejammere ich den Verlust der letzten Bergenie «Balbithian» von Joe Sherman und der Bergenie «Irish Crimson», die beide eine sensationelle rote Winterfärbung annehmen (würden). Nun, im nächsten Winter werde ich halt auf das Leuchten vor meinem Wohnzimmerfenster verzichten müssen. Immerhin schaffen diese Ausfälle Platz für Ersatz oder gar neue Schätze. Und wer weiss, vielleicht gibt es an den Mannheimer Schneeglöckchentagen im nächsten Februar Gelegenheit für Bergenien-Kompensationen.
Eine noch grössere Versuchung als die aktuell nun wieder überall zum Kauf angebotenen Packungen mit Blumenzwiebeln sind für mich die Bilder im Buch «Buried Treasures» von Janis Ruksans. Das fast 400 Seiten dicke 2007 veröffentlichte Buch aus dem Timber Press Verlag nehme ich regelmässig zur Hand und lese einzelne Passagen.
Im ersten Teil geht der schreibende Gärtner aus Lettland detailliert auf die Bedürfnisse der Zwiebelpflanzen ein und teilt sein umfangreiches Wissen aus Zucht und Vermehrung. Auch die Ethik von Pflanzenjägern wird thematisiert, und zwar sowohl die vorhandene als auch die fehlende. Ab Seite 98 kommen dann Buchgärtner auf ihre Kosten, die gerne lesend an abenteuerlichen Pflanzenjagden teilenehmen, die unter anderem in die Karpaten und den Nordkaukasus führen. Detailliert berichtet Janis Ruksans über seine Erlebnisse, Strapazen, Lust und Frust beim Suchen und Finden von Zwiebelblühern am Naturstandort, wo oft ein paar Tage zu früh oder zu spät in Kombination mit Wetterkapriolen über Erfolg und Misserfolg der Expedition entscheiden.
Die beschriebenen Expeditionen führten Rusans ab Ende der 70er Jahre beispielsweise in die Westukraine, auf die Krim-Halbinsel und nach Georgien, also zu Zeiten der Sowjetunion. Die Leserin kommt nicht umhin, beim Schmökern im Buch an die aktuellen Geschehnisse ein paar Hundert Kilometer östlich von Mitteleuropa zu denken, die nach wie vor in den Schlagzeilen präsent sind. Jedenfalls führten verschiedene der im Buch thematisierten Expeditionen in Regionen, die schon seinerzeit konfliktträchtig waren.
Die Stoffe und Materialien der Ausrüstungen wie Zelt und Rucksäcken hatten vor Jahrzehnten wenig Ähnlichkeit mit den heutigen Funktionstextilien. Mitbringsel in die Heimat waren nicht immer nur zahlreiche Blumenzwiebelschätze und abenteuerliche Geschichten, auch Krankheiten wie eine schwere Lungenentzündung waren dabei. In einem Expeditionsbericht aus Nordkorea ist zu lesen, dass dort Blüten, die nicht der Lieblingsfarbe (rot) des damaligen Herrschers Kim II entsprachen, zerstört wurden. Ganz im Gegensatz dazu enthält die Publikation zahlreiche farbenfrohe Bildtafeln, auf die jeweils in den betreffenden Texten verwiesen wird.
Zuletzt habe ich mich ein wenig mit der Gattung Allium beschäftigt. Dank dem umfangreichen Glossar können die entsprechenden Stellen im Buch ganz einfach gefunden werden. Fast unzählige Allium sind auf zwei Seiten in Doppelkolonnen im Pflanzenindex aufgeführt, die es nie in ein hiesiges Verkaufsregal schaffen. Na ja, ich habe ja eh keinen Platz im Garten für alle diese Pflanzenschätze. Jedenfalls gibt/gäbe es da etliches mehr als A, christophii, A. Schuberti, A. Globemaster oder A. aflatunense.
Neben dem spannenden und lehrreichen Inhalt gibt es noch einen weiteren Pluspunkt. Und zwar ein Kriterium, das seinerzeit beim Erwerb dieser Publikation völlig unwichtig war, heutzutage aber zum Lesevergnügen beiträgt – die grosse Schrift.
Janis Ruksans:
Buried Treasures – Finding and Growing the World’s Choicest Bulbs
Timber Press, 2007
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.