Eines meines ersten “grünen” Bücher war “Pflanzenjäger” von Tyler Whittle. Als meine Bibliothek noch nicht so umfangreich bestückt war wie heutzutage, habe ich es oft hervorgeholt, um darin zu schmökern. Ich habe es auch wiederholt vom Anfang bis zum Ende durchgelesen. Ein Bekannter hat es seinerzeit ebenfalls angeschafft und die interessanten Stellen farbig markiert. Sein Exemplar war deshalb völlig bunt (was ich als Buchverunstaltung empfand), da er den Text dermassen spannend fand.
Tyler Whittle war nicht der erste, der die Erlebnisse von Pflanzenjägern aufgezeichnet und veröffentlicht hat. Inzwischen habe ich sicher zwei Dutzend oder mehr Bücher, die sich (leider oft wiederholend) der abenteuerlichen Suche nach dem grünen Gold widmen. Aus heutiger Sicht sind diese Pflanzenjagden auch aus einem kritischeren Blickwinkel zu betrachten. Trotzdem zählen diese oft fesselnden Geschichten immer noch zu meiner Lieblingslektüre.
Wann immer ich dem Begriff Douglasie/Douglastanne (Pseudotsuga menziesii) begegne, erinnere ich mich auch heutzutage sofort an das Kapital über die abenteuerlichen Reisen und das tragische Ende des schottischen Pflanzenjägers David Douglas, nach dem dieser Baum benannt ist. Er wurde in einer Tierfalle von einem Stier getötet.
Ganz bestimmt kennen Sie verschiedene der von «Chinese Wilson» eingeführten Pflanzen, zu welchen der Tauben- oder Taschentuchbaum (Davidia) genauso zählt wie verschiedene Mohngewächse. Der gelernte englische Gärtner Ernest Wilson fuhr Ende des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal für die Firma Veitch nach China, um botanische Schätze aufzuspüren und in die Heimat zu schicken.
Um die Königslilie aus einem abgelegenen Bergtal nach Europa zu bringen, musste er grosse Strapazen überstehen und setzte sein Leben aufs Spiel. Auf einem schmalen Pfad löste sich nämlich ein Felsstück und verletzte ihn schwer am Bein. Mit Hilfe seines Stativs schiente er dieses notdürftig, da kam seiner Gruppe ein Maultierzug entgegen. Die rund fünfzig Maultiere konnten auf dem engen Weg nicht wenden, aber auch nicht warten, bis sich Wilsons Leute an ihnen vorbei gezwängt hatten, weil ständig herabfallende Steine ein neues Unglück anzukünden schienen.
Die einzige Lösung schien darin zu bestehen, dass sich Wilson quer zum Pfad auf den Boden legte. Und genau so wurde das Problem auch behoben. Ein Maultier nach dem andern stieg über ihn hinweg. Obwohl die Tiere trittsicher waren, kann man sich unschwer vorstellen, was für eine Tortur dieses Erlebnis gewesen sein muss. Nach einem mehrtägigen Marsch erreichte Wilsons Gruppe schliesslich den nächsten Missionsposten. Inzwischen war sein doppelt gebrochenes Bein stark entzündet und sollte amputiert werden. Der Pflanzenjäger verweigerte den Eingriff und tatsächlich ging die Infektion zurück. Das verletzte Bein blieb aber verkürzt, und er bezeichnete seine Gehbehinderung als “Liliengehumpel”. Ein hoher Preis für die siebentausend Lilienzwiebeln – doch Wilson war der Meinung, er habe sich gelohnt.
Diese und viele weitere Geschichten sind im Buch “Pflanzenjäger” nachzulesen. Der Autor berichtet von vielen erfolgreich eingeführten Pflanzen. Die Pflanzenjagd war aber nicht zwingend ein lukratives Geschäft und auch sonst überaus gefährliches Unternehmen. Nicht wenige dieser unerschrockenen Männer haben ihre Sammelleidenschaft mit dem Leben bezahlt. Auch wurden viele Pflanzen an ihren Naturstandorten in solch riesigen Mengen geplündert, dass der Bestand dort gefährdet zurückblieb oder gar ausgerottet wurde. Teilweise haben die Sammler gewisse Gebiete sogar absichtlich angezündet und Pflanzenbestände am Naturstandort vernichtet, damit ihnen kein Konkurrent mit der Einführung der grünen Schätze in der Heimat zuvorkommen konnte.
Der spannende Titel ist auf Deutsch und Englisch nur antiquarisch erhältlich.
Tyler Whittle:
Pflanzenjäger – Die abenteuerliche Suche nach dem grünen Gold
Prestel Verlag, 1971
The Plant Hunters
William Heinemann Ltd, 1970
Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.