Catherine Isaac: The World at my Feet

Der Sofagarten-Nachwuchs hat unter meinem Alter Ego vor einigen Jahren ein Instagram-Account eröffnet. Ich lese lieber längere Texte, als dass ich durch unaufhörliche Mengen von Fotos mit Kurzbeschreibungen scrolle und habe mich lange Zeit habe nicht mit diesem sozialen Netzwerk beschäftigt. Nachdem ich in der bekannten Phase der Einschränkungen genug gelesen und gestickt hatte, fing ich irgendwann an, auf Instagram herumzustöbern. Schon bald wuchs das Bedürfnis, den oft sinnfremden, ausschliesslich passiven Konsum wieder einzuschränken. Im Herbst 2022 habe ich einen WordPress-Kurs besucht, bin mit dem Gartenbuchblog «Die Sofagärtnerin» nochmals umgezogen und nutze nun (endlich) die vor bald fünfzehn Jahren reservierte Domaine sofagaertnerin.ch. Nun müsste ich mich eigentlich um mehr Aufmerksamkeit im Netz kümmern, aber eben – da wären wir wieder bei der Herausforderung, die Zeitinvestition in Soziale Medien in einem vernünftigen Rahmen zu halten.

Jedenfalls habe ich zum Thema Garten und Instagram kürzlich eine perfekt passende Novelle gelesen, die in zwei Zeitebenen spielt. Das Titelbild lässt einen Wohlfühlroman vermuten. Aber lassen Sie sich vom Buchcover nicht täuschen! Ich lese jedes Jahr mehrere Dutzend Bücher, aber selten berührt mich eine Lektüre ähnlich wie dieses traurig schöne Buch.

Die Gartenwelt der vierunddreissigjährigen Instagram-Influencerin Elli scheint perfekt. Sie lebt auf dem Grundstück ihrer Eltern alleine im ehemaligen Häuschen ihrer verstorbenen Grossmutter, von welcher sie auch ihre Liebe zum Gärtnern geerbt hat. Für jedes hortikulturelle Problem ihrer Anhänger hat «English Country Gardenista» mit über 56’000 Followern eine Lösung. Die vielen Klicks verschaffen ihr dank lukrativen Werbeverträgen ein gutes Einkommen und machen es nahezu unnötig, ihren schönen eingezäunten Garten verlassen zu müssen.

Doch ihre selbst gewählte Isolation ist nicht ganz freiwillig. Eine Angststörung (Androphobie) hindert sie nämlich daran, das Gartentor zu öffnen und die Welt jenseits des Gartenhags zu erkunden.  Diese Tatsache passt natürlich nicht unbedingt in das Bild, das sie im Internet ihren Followern von sich präsentieren mag. Sie weiss schliesslich sehr genau, wie sie die Anzahl Klicks steigern kann und eine Durchmischung von Themen in einem Instagram-Account sorgt eben nicht für mehr Likes in der sozialen Medienwelt. Wie viele ihrer Anhänger mögen wohl Beiträge über eine psychische Erkrankung in den vorgeschlagenen Beiträgen überscrollen müssen?

Eingestreut in Ellis Erzählung ist eine zweite Zeitebene, in welcher ihre Mutter Harriet Anfang der 1990er als Kriegsberichterstatterin durch die Welt zieht und schliesslich nach Rumänien geschickt. wird. Die Emotionen der Leserin werden geschürt durch die bildhaften Beschreibungen verwahrloster Kinder in rumänischen Heimen. Die Erzählung ist aber nicht nur traurig und man begleitet Eli durch die Aufarbeitung ihrer ausgeblendeten Kindheit und freut sich, wenn erste zaghafte Schritte forscheren weichen. Elli kann sich jederzeit auf ihr ausgezeichnetes familiäres Umfeld verlassen und sowohl eine neue als auch eine wieder belebte Freundschaft sind Anlass und Gelegenheit, die selbst gesetzten Grenzen zu überwinden. Und so wie die Pflanzen in ihrem wunderschönen Garten gedeihen, weil sie über ein gesundes Wurzelwerk verfügen, ist der erste Schritt für ihre Genesung das Wiederfinden der eigenen Wurzeln.

 

Catherine Isaac:

The World at my Feet

Simon und Schuster, 2021

 

 Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selber gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.

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