Posy Lovell: The Kew Garden Girls

Während draussen das von mir inszenierte farbenfrohe Herbstblätterfinale in alle Winde verweht wird oder eben auch nur auf unseren wenigen Quadratmetern aufs Zusammenharken wartet, stecken wir also mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie. Es ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, dass in den vor uns liegenden Wintermonaten nicht nur wegen den deutlich weniger Stunden, die draussen gegärtnert wird, mehr Zeit fürs Sofagärtnern bleibt. 

Kürzlich habe ich nach der Trilogie um die englische Gärtnerin in Kew von Martina Sahler einen weiteren Roman gelesen, der zu einem grossen Teil in diesem königlichen Botanischen Garten in London spielt. Beinahe hätten sich die verschiedenen Protagonisten begegnen können. Gesprächsstoff hätten sie sicher genug gehabt. Aber Scherz beiseite und zurück zur fiktiven Geschichte «The Kew Garden Girls» mit historischen Elementen, inspiriert durch wahre Begebenheiten. 

England steckt 1915 mitten im 2. Weltkrieg und die Männer an der Front haben daheim überall Lücken hinterlassen, so dass die Frauenerwerbsarbeit gezwungenermassen einen massiven Aufschub erhält. In Kew Garden werden Hilfsgärtnerinnen und Hilfsgärtner eingestellt. Jede und jeder bringt einen mehr oder weniger schwer gefüllten Rucksack an positiven und negativen Erfahrungen mit. Louisa ist vor ihrem gewalttätigen Mann in die Stadt geflüchtet und untergetaucht. Ivy, noch nicht einmal volljährig, trägt mit ihrem Einkommen massgeblich zum Unterhalt ihrer Familie bei, da der Vater seine Pflichten immer wieder vernachlässigt. Der leidenschaftliche Lehrer und Pazifist Bernie hat nach einem für ihn beschämenden Erlebnis eine sichere Stelle quittiert und ist mit seinen zwei linken Händen ohne erkennbaren grünen Daumen zunächst eher eine Belastung als eine Hilfe. Später kommt dann noch ein drittes Garden Girl dazu, womit sich weitere Überlegungen zum Buchcover mit drei Frauen erübrigen. 

Zwischen dem Jäten und Abschneiden von welken Blüten in den Blumenrabatten und dem Anpflanzen von Gemüse und Salat geht es ausführlich um Themen wie Kriegsdienstverweigerung, Analphabetismus, Lohndiskriminierung von Frauen und den Kampf der Suffragetten. Die angewendeten Methoden der Frauenrechtlerinnen dünken die Leserin nicht immer vollkommen angebracht, aber im Gegenzug werden auch Fehler reflektiert, eingestanden und die Folgen gelindert. 

Auch wenn sie wohl eher im Märchenreich anzusiedeln ist, fand ich die spezielle Briefkorrespondenz, in welcher die Sprache der Blumen effektiv ausgelebt wird, eine hübsche Idee. Ivy, die des Lesens und Schreibens nur eingeschränkt kundig ist, erhält nämlich von ihrem Liebsten Jim an der Front, statt Briefe, die sie nicht lesen kann, Samen von verschiedenen Blumen. Die französische Saat wird in England zum Keimen gebracht, gehegt und gepflegt und in Form von gepressten Blumensträusschen wieder über den Kanal nach Frankreich geschickt, wo der kundige Berufsgärtner die Botschaften entschlüsselt. 

Der Roman weist vielleicht etwas gar viele individuelle Happy Ends für eine einzelne Geschichte auf, aber zurzeit mag frau das gut verkraften. Trotzdem bin ich erleichtert, dass die Autorin sich/uns wenigstens eines erspart hat. Die Scheidung von Louisa wäre dann doch zu viel des Guten gewesen. 

 

Posy Lovell:
The Kew Garden Girls
Trapeze, 2020

Alle in diesem Beitrag erwähnten Bücher habe ich selbst gekauft. Ich bin niemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet und generiere keine Einnahmen aus den im Sofagarten vorgestellten Büchern.

 

This is a post from Die Sofagärtnerin.
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