Abbie Waxman: Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen

Seit rund drei Jahren ist die vierunddreissigjährige Lili verwitwet, nachdem ihr Mann Dan bei einem schweren Autounfall direkt vor dem gemeinsamen Haus ums Leben gekommen ist. Sein Tod hat sie völlig aus der Bahn geworfen. Monatelang war sie in einer Klinik, unfähig sich im Alltag zurechtzufinden und sie hat es nur ihrer Schwester Rahel zu verdanken, dass ihre Kinder nicht fremdplatziert wurden. Noch heute trauert Lili tief um Dan und er ist durch ihre ständigen Zwiegespräche mit ihm nach wie vor omnipräsent. Die alleinerziehnde Frau würde den Alltag mit ihren beiden sieben- und fünfjährigen Mädchen Annabell und Clare niemals ohne ihre immer noch jederzeitig tatkräftig unterstützenden Schwester sowie die Babysitterin Leah meistern können. Immer wieder fühlt sich Lili völlig überfordert und obwohl sie ihre Kinder über alles liebt, würde sie ab und an liebend gerne einfach alles stehen und liegen lassen und verschwinden. Doch für die Töchter will und muss sie stark sein – sie sollen nicht durch ihre Trauer (über)belastet werden. 

Wenigstens hat sie keine finanziellen Sorgen. Das kleine Häuschen, in dem die Familie lebt, ist abbezahlt und sie hat einen (vermeintlich) sicheren Job als Illustratorin in einem Schulbuchverlag. Doch nun erfährt sie von ihrer Vorgesetzten, dass es gar nicht rosig um die Finanzen ihres Arbeitgebers steht. Alle Hoffnungen, Entlassungen vermeiden zu können, ruhen auf einem potentiellen Grossauftrag.  Die Bloem Company, ein riesiges Saatgutunternehmen aus Holland, das auch auch Blumen- und Pflanzenratgeber herausgibt, möchte nämlich eine neue Gemüsebuchreihe handgezeichnet illustrieren lassen. Die Bilder sollen künsterisch wertvoll sein, so dass die Bücher das Zeug zu einem Klassiker haben. Ausserdem verlangt der Auftraggeber, dass die Illustratorin vorab an einem Gärtnerkurs teilnimmt. Da Lili diese Verantwortung aufgebürdet wird, sind die nächsten Samstagmorgen verplant. 

Mit Kindern und Schwester nimmt sie an diesem Gärtnerkurs im Botanischen Garten von Los Angeles teil, der von Edward, einem der Bloem-Söhne, geleitet wird. Die verschiedenen Kursteilnehmer samt dem Leiter bilden eine bunt zusammengewürfelte Gruppe. Es sind völlig unterschiedliche Leute mit verschiedenen Interessen und Charakteren, die sich aber im Laufe des Sommers parallel zum Wachstum der Pflanzen in den neu angelegten Beeten trotzdem gut anfreunden. Man unterstützt sich gegenseitig in privaten Gartenbelangen und zwei der jüngeren Kursteilnehme finden zueinander. Auch zwischen Lili und dem Kursleiter Edward knistert es heftig. Die beiden treffen sich auch privat – mit und ohne die anderen Kursteilnehmer – und Edward erobert das Herz der Kinder mit einem Feengarten mitsamt allem Drum und Dran. Doch so einfach geht es dann doch nicht, sich in in der Kleinfamilie einen festen Platz zu ergattern. Lili ist noch nicht bereit, sich auf eine neue Beziehung einzulassen, obwohl ihr Herz und ihr Verstand unterschiedlich auf Edwards «Sprache durch die Blumen» oder besser «Sprache durchs Gemüse» reagieren. 

Während dem Sommer wird der Schulvorlag umstrukturiert und Lili gehört zu denen, die die ihre Stelle verlieren. Nach reiflicher Überlegung beschliesst sie, den Schritt in die berufliche Selbständigkeit zu wagen. So bekommt neben dem kleinen Hinterhof, der seinen bisherigen einzigen Daseinszweck als Abstellplatz verliert und in eine grüne Oase umgewandelt wird, auch die Garage eine neue Funktion. Was bleibt am Kursende übrig ausser der Ernte von Maiskolben, Kürbissen, Gartenbohnen, Salaten und Edwards Plan, ein Buch über den Lehrgang zu schreiben? 

Ein traurig-schöner Roman voller Selbstkritik, Sarkasmus und Selbstironie. Das Ende bleibt teilweise offen, lässt die Leserin aber postitiv hoffend zurück. Nicht nur die Pflanzen wachsen, auch die einzelnen Kursteilnehmer verändern sich. Wie etwa Lili, die versucht Vorurteile abzustreifen oder erst gar nicht mehr aufkommen zu lassen und die sich daran macht, die schwierige Beziehung zu ihrer nur auf ihre eigene Schönheit bedachten, ich-bezogenen und unangenehm direkten Mutter nicht mehr ständig zu hinterfragen. 

Alle Kapitel werden mit einseitigen Gartentipps eingeleitet, die beispielsweise betitelt sind mit «Die Zusammensetzung von Pflanzenerde», «Wie man Tomaten zieht», «Wie man Brokkoli anbaut», «Wie man Erbsen zieht» und «Partnerpflanzen». 

Abbie Waxman: 
Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen 
Rowohlt Verlag, 2017

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