Dieses Buch ist eine Kolumnensammlung aus dem Wissenschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das Niveau ist dementsprechend hoch, was aber erfreulicherweise überhaupt keinen Einfluss auf das Lesevergnügen hat. Ganz im Gegenteil. Die Lektüre ist gleichzeitig intelligent und kurzweilig. Im Vorwort definiert Jörg Albrecht das Ziel seiner Zeilen. Es geht nämlich nicht wie so häufig darum, immer wieder von Gartenautoren oder -journalisten Wiederholtes noch einmal ungeprüft wiederzukäuen, sondern um Fakten und darum, Urteile und Vorurteile zu überprüfen, zu bestätigen oder eben zu widerlegen. Diese Ergebnisse liessen sich zuweilen wohl durch noch gründlichere Untersuchungen in Frage stellen und nicht sämtlichen grünen Rätsel lassen sich in Kolumnenlänge lösen.
Wissen setzt Beobachten voraus. Wie die Leserin leicht feststellt, verfügt der Autor über eine enorme hortikulturelle Erfahrung, sowohl theoretisch als auch praktisch, und sein Geschmack entspricht dementsprechend nicht dem eines 0-8-15-Gärtners, der sich je nach Jahreszeit Primeln, Stiefmütterchen, Geranien und Co. besorgt oder den Vorgarten in eine vorgeblich pflegeleichte Steinwüste verwandelt. Das kommt in seinen (negativen) Bemerkungen über den (Un-)Sinn von Thujahecken (sich den Blick auf weitere Thujahecken zu ersparen) ebenso zum Ausdruck, wie bei seinem Zetern über den Kirschlorbeer, der seiner Meinung nach durch Plastikatrappen ersetzt werden könnte. Ich teile diesbezüglich die Meinung des Autors, doch nach meiner eigenen Erfahrung spielen beim Gärtnern neben dem Wissen die wechselnden Vorlieben, die finanziellen Möglichkeiten oder die Pflanzenvermehrungsfähigkeiten der Gärtnerin eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Als wir Haus und Garten bezogen haben, gehörte eine minimale «Grundausstattung» zum grünen Inventar. Obwohl ich die vorgesehene Pflanzung von Tannenbäumen erfolgreich verhindern konnte, waren da einige Pflanzen im Garten, die mir gar nicht gefallen haben. In diese Kategorie fielen etwa Kirschlorbeer und Hibiskus. Einiges hat Frau Sofagärtnerin sofort wieder ausgegraben oder herausgezogen und verschenkt, anderes wurde zähneknirschend toleriert. Inzwischen, über zwei Jahrzehnte später, hat sich mein Geschmack stark verändert und tatsächlich schätze ich heute einige der Pflanzen, die damals bestenfalls geduldet waren (z.B. Sibirischer Hartriegel; damals sah ich diesbezüglich Rot, heute liegt mein Fokus auf roten Pflanzenschätzen) und ich habe sogar einzelne der dannzumal Verschmähten wieder in den Garten geholt (Eiben; Säuleneiben, Kleinformen als Buchsersatz, Eibenkugeln). Wahrscheinlich war mir der (vielleicht zu wenig geschätzte?) Gärtner einfach ein paar Gärtner-Entwicklungsstufen voraus?
Doch zurück zum Buch. Der Autor selber beackert ein schmales Handtuchgrundstück, das steil in einen Hang ragt, sowie einen Pachtgarten. Die Nachbarn von letzterem haben die Basis für die Betrachtungen dieser Kolumnen geliefert, deren Titel da zum Beispiel lauten:
– Das bringt den Mann zum Rasen
– Der Gärtner ist immer der Mörder
– Mieze Schindler darf nicht sterben
– Stimmungskanonen
– Schneide nie den Baum zum Scherz
– Wenn ein Schnitt daneben geht
– Das Gegenteil vom Paradies
Die Leserin erfährt, wo vor vielen Jahren in einer Saison hunderttausend Narzissenzwiebeln einbebuddelt worden sind und der Autor hinterfragt den Sinn von Vogelfütterung und die damit verbundenen Konsequenzen in den Eingriff des Naturhaushalts. Dabei es um Verkotung und die daraus resultierenden Hygieneprobleme und die Anpassung der Schnabel- und Flügelformen, da der Futtertisch ständig gedeckt ist und Überwinterungen in südlichen Gefilden mit damit verbundenen langen zurrückzulegenden Flugstrecken nicht mehr notwendig sind. Und haben Sie gewusst, dass jährlich 10 Tonnen Schlüsselblumen als Rohstoff für Heilmittel nach Deutschland importiert werden, einen grossen Teil aus Albanien?
Dann geht es um die sogenannte Laubrente, den zu erwartenden Gewinn aus forstwirtschaftlichem Verzicht, wozu ein Nelkenmass dient sowie um Geröllflora und die Gemeinsamkeiten von Kunststein und Laminat. Dann fragt der Autor provokativ, ob tatsächlich der Mensch die Pflanzen instrumentalisiert oder nicht vielleicht die Pflanzen die Menschen. Die Rodung von Wäldern liegt doch schliesslich ganz im Sinn von Gräsern und deren Begleitflora. Auch die Kartoffel ist längst nicht so robust, wie gemeinhin angenommen wird. Ihr drohen etwa, um nur einige der potentiellen Gefahren zu nennen, Hohlherzigkeit, Glasigkeit, Gefässbündelverbräunung, Schwarzfleckigkeit und Stippigkeit.
Die anregende Lektüre führt Querbeet durch den grünen Bereich und informiert auf lustvolle Art und Weise. Zu einzelnen Themen finden sich am Ende des Buches detaillierte Anmerkungen. Die Erwähnung von Hellmut Salzingers Buch «Der Gärtner im Dschungel» aus dem Jahr 1992 hat mich ausserdem inspiriert, wieder öfter in meiner persönlichen Backlist zu stöbern und zu lesen, statt nur oberflächlich mit dem Staubwedel darüber zu fahren.
Jörg Albrecht:
Alles im grünen Bereich – Ein Lesebuch für Gartenfreunde
Bastei Lübbe, 2016