Janet Fitch – Weisser Oleander

Immer wieder streut die Autorin Janet Fitch gärtnerische und botanische Details und Beobachtungen in diesen Roman ein. So ist die Rede von wildem Senf auf einem Betonwall, von Baumfarnen, Böschungen mit Springkraut, Gärtnern mit Laubgebläsen und von Marienkäfern, die in Plastikkugeln verkauft werden, um auf mit Blattläusen befallenem Grünzeug ausgesetzt zu werden. Titelgebend sind aber die Oleanderbüsche mit ihren zähen, giftigen Blüten und dolchähnlichen Blättern, die den heissen Winden aus der Wüste trotzen.

Teile von Oleander werden von Ingrid Magnusson auch bei ihren Stalking-Aktionen eingesetzt und schliesslich vergiftet sie mit einem Extrakt aus eben dieser Pflanze ihren ehemaligen Liebhaber und wird deswegen zu über drei Jahrzehnten Gefängnis verurteilt. Damit beginnt für ihre zwölfjährige, bereits vaterlose Tochter Astrid eine Odyssee von einer Pflegestelle zu nächsten.

Ihre erste Ersatzmutter Starr Thomas führt sie in eine Jesus –Gemeinde ein. Als der eifersüchtigen Starr die Beziehung von Astrid und dem Ersatzvater zu eng wird, schiesst sie auf ihre Pflegetochter und diese wird nach ihrer Genesung umplatziert. An einem der weiteren Pflegplätze erweist sich Astrids Freundschaft zu einer schwarzen Prostituierten als Fehler. Schliesslich kommt Astrid zu einem kinderlosen Ehepaar aus dem Filmbusiness.

Ihre neue Mutter Claire ist eine relativ erfolglose Schauspielerin. Astrid wird – ohne davon zu wissen – in erster Linie ein Zuhause angeboten, damit sie ein Auge auf die labile Claire hat, die sich ihren Fähigkeiten entsprechend, liebevoll um Astrid kümmert und sie mütterlich umsorgt. Diese fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich geliebt. Während die Pflegemutter mit einem spitzen asiatischen Hut auf dem Kopf in ihrem Garten verschiedene Tomatensorten pflegt, Rittersporn aufbindet und täglich jätet, sitzt Astrid häufig unter der chinesischen Ulme und zeichnet. Gemeinsam schauen sie auch regelmässig eine TV-Sendung an, die Gartentipps vermittelt, oder besuchen Museen und Ausstellungen. Als Astrids Mutter im Gefängnis von der guten Beziehung zwischen den beiden erfährt, versucht sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, das Verhältnis zu zerstören, was ihr schliesslich auch gelingt.

Wer ist Ingrid Magnusson und warum ist sie zu der Person geworden, die im Gefängnis eine lebenslange Haftstrafe verbüssen muss, und scheinbar nicht glücklich ist, wenn es ihrer einzigen Tochter gut geht? Die ausdruckstarke Lyrikerin, deren Lieblingsblumen weisse Lilien und Chrysanthemen sind, ist eine hasserfüllte, verbitterte Meisterin im Verdrehen von Tatsachen und Zurechtbiegen von Wahrheiten.

Nach ungefähr vier Fünftel der Lektüre besucht Astrid bereits die 8. neue Schule in fünf Jahren. Die inzwischen siebzehnjährige junge Frau hat an ihrer aktuellsten Platzierung bei einer Russin gelernt, wie man aus Müll Geld verdient. Hier erfährt sie, dass der Prozess gegen ihre Mutter wegen Verfahrensmängeln nochmals aufgerollt werden soll. Astrid soll vor Gericht falsch aussagen. Sie hat sich zuletzt immer weiter von ihrer Mutter entfernt, die sie nach wie vor in Briefen zu beeinflussen versucht. Schliesslich schlägt Astrid der Anwältin ihrer Mutter einen Deal vor.

Es ist beeindruckend zu lesen, wie Astrid an den vielen Herausforderungen in ihrem jungen Leben nicht zerbricht, sondern sich vielmehr immer wieder aufrappelt und zu einer starken Persönlichkeit entwickelt, die sich nicht mehr von der Mutter herumdirigieren lässt. Über zehn Jahre stand dieses Buch, das ich bei einem meiner ersten Besuche an der Buchmesse in Frankfurt entdeckt hatte, ungelesen auf dem Regal. Die Lektüre, endlich angegangen, fand ich mit ihren interessanten Charakteren dermassen spannend, dass ich mir gelegentlich die gleichnamige Verfilmung mit Michelle Pfeiffer und Renée Zellweger anschauen will.  

Janet Fitch: 
Weisser Oleander 
Bastei Lübbe, 2003

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