Craig Pittman: The Scent of Scandal – Greed, Betrayal and the World’s Most Beautiful Orchid

Die Orchideen bilden eine riesige, faszinierende Pflanzenfamilie. Während ich im Garten gerne welche ansiedeln würde, aber mangels auch nur annähernd optimaler Bedingungen und zur Vermeidung von kostspieligen Enttäuschungen darauf verzichte, gefallen mir die Wegwerf-Zimmerpflanzen zum Discountpreis zwar, aber ich kann gut und gerne auf diese verzichten.

Besonders gefallen mir hingegen Bücher, die Einblick in die Welt von Orchideenverrückten geben. Diese Publikationen lesen sich oft spannender als mancher Roman. In dieses Genre gehören beispielsweise „Orchideenfieber – Die Geschichte einer Leidenschaft„ von Eric Hansen (Klett-Cotta Verlag, 2002), „The Orchid in Lore and Legend“ von Luigi Berliocchi und „The Orchid Thief“ von Susan Orlean. Die beiden letzteren wurden nie auf Deutsch übersetzt, aber „The Orchid Thief“ diente als Grundlage für den Film „Adaption“ mit Nicolas Cage und Meryll Streep in den Hauptrollen. Das Oscar-gekrönte Werk hat es seinerzeit auch in die hiesigen Kinos geschafft und die DVD ist nach wie erwerbbar.

Meine aktuelle Lektüre trägt den vielversprechenden Titel „The Scent of Scandal“ und handelt von Gier, Betrug und der angeblich schönsten Orchidee der Welt. Schon im Prolog heisst es, dass bereits Adam und Eva bezeugen können, dass im schönsten Garten irgendwo eine Schlange steckt. Wer ist hier die Schlange? Am Anfang der Geschichte steht der Kauf einer unbekannten, grossblumigen Frauenschuh-Orchidee im Jahr 2002. „Tatort“ ist ein kleiner Stand an einer Strasse in Peru, das Objekt ein Frauenschuh mit purpurfarbener Blüte in der Grösse einer Männerhand, Verkäufer ein Einheimischer, Käufer der amerikanische Orchideensammler Michael Kovach. Oder waren es drei Pflanzen, die den Besitzer wechselten? Schon gehen die Aussagen und Meinungen auseinander.

Ebenfalls am Anfang steht ein Wettrennen um die erste offizielle botanische Beschreibung dieser Orchidee und die Namensgebung. Das ganze Buch samt Anklage und Prozess dreht sich darum, ob die Pflanze illegal aus Peru aus- und in die Vereinigten Staaten eingeführt worden ist oder doch nicht. Und ob dies wissentlich oder unwissentlich geschehen ist und ob sich die Mitarbeiter und die zunächst nicht eingeweihte Leiterin eines botanischen Gartens in Florida strafbar gemacht haben. Ein weiterer Streitpunkt ist, ob die Orchidee Phragmipedium kovachii heissen darf oder Phragmipedium peruvianum heissen soll. Dann geht es um die Schwierigkeiten, eine nicht blühende Orchidee eindeutig zu identifizieren und Richter und Staatsanwälte von der Wichtigkeit zu überzeugen, konsequent und mit dem nötigen Ernst gegen Pflanzenschmuggel vorzugehen. Als Leserin ist einem nicht immer ganz klar, wer hier die Guten und wer die Bösen sind. Eine Herausforderung ist auch das Einordnen von Informationen: handelt es sich um Gerüchte, Fakten oder Spekulationen?

Eingebettet in die Chronik erfährt der Leser immer wieder Interessantes aus der Pflanzenwelt – etwa über heimtückische Pflanzenjäger, über die grösste Orchideenschau der Vereinigten Staaten, die jeden Frühling auf einem offenen Feld ausserhalb von Miami stattfindet und zwischen acht- und zehntausend Besucher aus aller Welt anzieht, und über im Internet offen angebotene illegale Orchideen (eine Form von „sans-papiers“), die in ihren Verpackungen als „Kinderkleider“ oder „Spielwaren“ deklariert auf den Weg zum Käufer und Sammler geschickt werden.

Die Publikation lässt den interessierten Leser hinter die Kulissen in die die legalen, halblegalen und illegalen Seiten des Orchideenhandels blicken. Auch von einem gewissermassen alten Bekannten ist wiederholt die Rede. Und zwar von Harold Koopowitz, von dem ich kürzlich hier ebenfalls ein Buch vorgestellt habe. Ob es sich bei der auf dem Buchcover abgebildeten Pflanze tatsächlich um die schönste Orchidee der Welt handelt, sei dahingestellt und muss jeder für sich selber entscheiden. Falls Sie aber Bücher über Betrug, Verrat und Gier im Reich der Botanik schätzen, suchen Sie bei antiquarischen Anbietern nach dem Titel „The Rum Affair“ von Karl Sabbagh. Dieses Buch habe ich vor Jahren gelesen und wollte hier im Blog längst einmal darüber schreiben. Da ich in absehbarer Zeit nicht dazu komme, verlinke ich zu einer englischen Rezension. Mit „Rum“ ist hier übrigens nicht das alkoholische Getränk, sondern eine schottische Insel gemeint (es geht hier aber nicht um Orchideen).

Craig Pittman: 
The Scent of Scandal – Greed, Betrayal and the World’s Most Beautiful Orchid 
University Press of Florida, 2012

This is a post from Die Sofagärtnerin.
©2012
Posts created 674

Schreiben Sie einen Kommentar

Related Posts

Begin typing your search term above and press enter to search. Press ESC to cancel.

Back To Top