Rose Tremain: Der unausweichliche Tag

Die Publikation „Wie man Bäume richtig zeichnet“ war in jungen Jahren ihr Lieblingskunstbuch – inzwischen ist die Engländerin Veronica Verey schon seit langem als Gartenarchitektin tätig und lebt in Südfrankreich. Das Gärtnern in der trockenen Landschaft ist sehr mühsam. Ein Obstgarten mit vielen Aprikosenbäumen entschädigt wenigstens teilweise für die unabänderliche Tatsache, dass viele ihrer Lieblingspflanzen hier nicht gedeihen. Dafür findet die Frau Inspiration und Material für ihr geplantes Gartenbuch mit dem Arbeitstitel „Gärtnern ohne Regen“. Zwei Kapitel sind bereits angedacht, nämlich „Dekorative Kiessorten“ und „Die Bedeutung des Schattens“. Illustriert werden soll die Publikation mit Zeichnungen und Fotos ihrer fünfundfünfzigjährigen Lebenspartnerin Kitty Meadow, einer Künstlerin mit (zu) wenig Talent.

Die scheinbare Zufriedenheit der beiden Frauen wird auf eine Belastungsprobe gestellt, als Veronicas jüngerer Bruder Anthony in die Nähe seiner Schwester zu ziehen beabsichtigt und sich anlässlich seiner Suche nach einer geeigneten Liegenschaft im Frauenhaushalt einquartiert. Der vierundsechzigjährige Mann führte jahrelang ein erfolgreiches Antiquitätengeschäft in London und hat sich fast ausschliesslich mit schönen Einrichtungsgegenständen, die er etwas gewöhnungsbedürftig als seine Lieblinge bezeichnet, beschäftigt. Schon längere Zeit läuft das Geschäft nicht mehr, so dass er seinem Leben einen (letzten) neuen Sinn geben will.

Dieser Entschluss bringt das Leben seiner Schwester Veronica und deren Partnerin Kitty völlig durcheinander. Und noch ein anderes Geschwisterpaar kämpft mit Turbulenzen, deren Ursachen bis in die Kindheit zurückgehen. Der ungepflegte und verlogene Aramon möchte sein Elternhaus „Mas“ verkauften und einen möglichst grossen Profit herausschlagen. Ihm, seiner Maklerin und potentiellen Interessenten ist eine Hütte mit Blechdach am Rand seiner Parzelle ein Dorn im Auge. Dort lebt abgeschoben und recht zurückgezogen seine jüngere Schwester Audrun unter ärmlichen Verhältnissen. Nach dem Tod der Mutter ist die damals junge Frau ist jahrelang von ihrem Bruder und dem längst verstorbenen Vater missbraucht worden. Und noch heute wird sie vom Bruder ständig belogen und betrogen.

Die Wege der französischen und englischen Geschwisterpaare, die beide schon mehrere Lebensjahrzehnte auf dem Buckel haben, kreuzen sich kurz und vermeintlich beiläufig und haben doch dramatische Veränderungen für alle Beteiligten zur Folge.

Die hortikulturellen Erwähnungen in dieser Buchvorstellung sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der „blumige“ Hintergrund gemessen am Umfang von rund 330 Seiten gering ist. Zentrale Themen des Buches sind aber ja auch Geschwisterliebe, Hass, Rache und nicht gärtnern. Ich verrate wohl auch nicht zu viel, wenn ich hier erwähne, dass das Buchprojekt „Gärtnern ohne Regen“ auch in der Fiktion nie gedruckt werden wird.

Rose Tremain: 
Der unausweichliche Tag 
Suhrkamp Verlag, 2013

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