Eva Maaser: Eine Gurke macht noch keinen Frühling

Die alleinerziehende Städterin Carlotta kämpft Stunden nach dem Essen von Gurkensalat aus dem Garten ihres kürzlich von Tante Ella geerbten Hauses mit Brechreiz. Denn eben hat sie just unter den kräftig wachsenden Gurken eindeutig menschliche Knochen entdeckt. Statt den Fund der Polizei zu melden, schaufelt sie hastig Erde über das nach einem heftigen Wasserfall aufgetane Loch und versucht jeden Gedanken daran zu verdrängen, was an der entdeckten freigelegten Hand noch alles dranhängt. Ausserdem entsorgt sie den vom Mittagessen übrig gebliebenen Salat, schwört sich, keine weiteren Gurken aus diesem Garten mehr zu ernten und nimmt sich vor, den Vorfall zu vergessen.

Ein Vorsatz, der sich nicht ganz einfach umsetzen lässt. Denn noch während sie am Schaufeln ist, taucht eine Nachbarin aus dem Zweitausend-Seelen-Dorf im Garten auf, die sich förmlich um die vielen reifen Gurken reisst und sich nur mit Mühe davon abbringen lässt, sich selbst zu bedienen. Immerhin weiss Carlotta nun, dass sich die krummen Dinger ausgezeichnet als Einlegegurken eignen. Und dann gibt’s noch einen adligen Nachbarn mit einer Bulldogge namens Tobler, die ebenso zielsicher im Gurkenbeet graben will. Höchste Zeit also, dass sich Carlotta Gedanken über die Gartengestaltung macht oder wenigstens darüber, wie sie die Fundstelle abdecken kann.

Dabei hat Carlotta eigentlich genügend andere Probleme, auch finanzieller Art. Zu ihrer verstorbenen Tante Ella, einst eine erfolgreiche Opernsängerin, hatte sie praktisch keinen Kontakt. Warum ist gerade sie als Erbin des mehrfach um- und angebauten Hauses mit einem grossen Wintergarten eingesetzt worden? Das Haus entpuppt sich schnell als hypothekenbelastete Bruchbude mit dringendem kostspieligem Renovationsbedarf. Die Geldprobleme werden noch akuter als Carlottas Auto definitiv nicht mehr fahrtüchtig ist. Soll sie tatsächlich ihren Vater um Geld bitten? Und was hat es eigentlich mit den komischen Geräuschen im Haus auf sich?

Der Weinkeller scheint recht gut bestückt zu sein. Ob sich daraus Kapital schlagen lässt? Denn Carlotta muss auch für die Ausbildung ihrer Tochter dringend Geld auftreiben. Die elfjährige Meg und ihre Mutter haben schon äusserlich nicht viel gemeinsam. Während die rothaarige Mutter klein ist und ein paar Kilo zu viel herumschleppt, ist die Tochter schon heute grossgewachsen und athletisch gebaut. Meg ist ein Mathematikgenie. Mit Geplänkel und Diplomatie kann sie dagegen nichts anfangen. Sprache muss für sie ebenso logisch wie Mathematik sein, so dass sie oft als gefühllose Besserwisserin erscheint. Mutter und Tochter sind sich einig, dass Meg an ihrer bisherigen Schule fehl am Platz ist. Aber das angebotene Studium in Amerika ist für Calotta auch keine Alternative.

Um sich von ihren Sorgen abzulenken, lässt sich Carlotta auf eine Affäre mit einem Handwerker ein, obwohl sie seinen «Hausdiagnosen» misstraut und ihm unterstellt, aus ihr Kapital schlagen zu wollen. Dabei wird auch die eine oder andere Weinflasche aus dem Keller geleert. Gleichzeitig beginnt sich die junge Mutter für das Leben der ihr fast völlig unbekannten Tante zu interessieren und stöbert in Fotoalben und alten Briefen.

Ein in Ich-Form erzählter Roman mit überraschendem Ende- gespickt mit feiner Selbstironie – in dem sich alles um vertrackte Familienverhältnisse dreht. Hortikulturelles gibt es wenig zu berichten, aber nebenbei erfahren die Leser einiges über das Asperger-Syndrom und im Anhang sind verschiedene Gurkenrezepte aufgeführt.

Mein erster Eindruck, als dieses Buch ganz unverhofft den Weg in den Sofagarten gefunden hat, war: Was für ein merkwürdiger Buchtitel. Gurke statt Schwalbe und Frühling statt Sommer. Gurken reifen doch üblicherweise im Sommer und nicht im Frühling (jedenfalls in unseren Breitengraden und ohne Gewächshaus). Aber vielleicht tut sich mir ja einfach der Sinn dieses Wortspieles nicht auf.

«Eine Gurke macht noch keinen Frühling» war nicht das erste Buch von Eva Maaser, das ich gelesen habe. „Kim und das Rätsel der fünften Tulpe“ habe ich hier vorgestellt und „Der Paradiesgarten“ habe ich vor meiner Blogger-Zeit trotz oder gerade wegen seines grossen Umfanges (beinahe 700 Seiten) mindestens dreimal gelesen und sogar in doppelter Ausführung (gebunden und als Taschenbuch) hier stehen. Vielleicht trenne ich mich demnächst von einem Exemplar – wie ich bereits auf Facebook erwähnt habe, bin ich ja dabei, Gartenzeitschriften und –bücher auszusortieren.„Der Paradiesgarten“ habe ich jedenfalls als annähernd perfekte fiktive Zeitreise durch die Gartengeschichte in Erinnerung. Der durch mehrere Jahrhunderte und die halbe Welt führende Roman eignet sich für lesende Gartenfreunde, die sich nicht davon abschrecken lassen, wenn ein Gärtner vom Tegernsee während mehreren Jahrhunderten lebt und dazwischen immer mal wieder in einen Tiefschlaf fällt.

Eva Maaser: 
Eine Gurke macht noch keinen Frühling 
Knaur Taschenbuch, 2014

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