Gabriele Tergit: Der alte Garten

Von der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert in Holland liest man immer mal wieder, wenn diese etwa im Zusammenhang mit Turbulenzen an den Börsen als erstes Börsencrash-Beispiel herangezogen wird. Aber haben Sie gewusst, dass im 18. Jahrhundert in England eine Ranunkelmanie herrschte? Im Jahr 1792 waren tausende Sorten im Umlauf, 1820 wurden noch deren 800 angeboten. Aber auch für Hyazinthenzwiebeln wurden einst beeindruckende Geldbeträge hingeblättert. Gab es 1597 erst vier Sorten, waren es 1725 schon rund 2000 und ein Preis von 4‘000 Mark galt als üblich. Da erscheint der Preis für eine Aurikel im 17. Jahrhundert mit 400 Mark ja fast günstig. In dem kleinen Büchlein „Der alte Garten“ führt Gabriele Tergit (1894 – 1982) durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende in der Kulturgeschichte der Blumen – gespickt mit  Anekdoten, Kuriositäten, Sitten und Bräuchen und paralleler Vermittlung von Einblicken in wichtige historische Ereignisse.

Nach einer als sentimental betitelten Einleitung über die Freude an der Natur folgen Abschnitte mit Titeln wie „Die Päonie der Chinesen und die Lotusblume der Ägypter“, „Die sakrale Lilie“, „Rosennarretei“, „Le Notre und die Verbannung der Blumen in den Küchengarten“ und „Englischer contra französischer Garten“. Die Autorin hält fest, dass es natur- oder garten-gemäss ist, dass Gärtner ein hohes Alter erreichen und setzt das menschliche Leben in Zusammenhang mit dem Gartenjahr. Stark zusammengekürzt bedeutet dies, dass das Leben im Februar mit der Geburt anfängt; der Monat Juli steht für das Alter vierzig, August und September für die Ernte des Lebens und November und Dezember repräsentieren die Menschenjahre zwischen siebzig und neunzig, in welchen Geist und Körper vertrocknen und sowohl Mensch als auch Natur enden im Januar im weissen Totenhemd.

Im Text erfährt man weiter, dass im alten Ägypten der Gastgeberin keine Blumen mitgebracht wurden, dafür aber die Gäste Kränze aus Lotusblumen erhielten. Letztere galten auch in Indien als wichtiges Symbol. Die Zeiten haben auch in Sachen Namensgebung einen Wandel erfahren. Während römische Familien den Namen von Blumen annahmen, wurden in den letzten Jahrhunderten umgekehrt Blumen nach ihren Entdeckern oder nach Botanikern benannt. Auch Blüten auf dem Teller sind keine Erfindung unserer Zeit. Bereits im Mittelalter wurden Speisen mit Blumen gesüsst und Braten mit Blumen gewürzt.

Weiter berichtet Gabriele Tergit von Zeiten, in der die Natur verdächtig war und es sogar päpstlich verboten war, sich mit ihr zu beschäftigen. Mindestens so seltsam mutet die Passage an, an der die Autorin davon erzählt, dass sich eine Darmstädter Freundin von Goethe zuweilen in ein offenes Grab unter einer Rosenlaube legte, um (Zitat) „die Empfindung des Sterbens vom Hauch und Duft der Natur umweht, auszukosten“. Thematisiert werden auch die Aufs und Abs der Nelke in der Gunst der Blumenliebhaber, die Autorin geht auf die Begründung der Chemie durch die Araber ein, erzählt über das Leben des Albert Magnus und davon, dass im 17. Jahrhundert 33 Medizinen aus Rosen bekannt waren, mit denen Krankheiten geheilt wurden.

Waren Blumen lange Jahre (fast) ausschliesslich wegen ihrer Heilwirkung, ihres Nährwerts und der zugesagten Zauberwirkung geschätzt, fiel der Fokus in der Renaissance im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Buchdrucks und von Blumenentdeckern oder Pflanzenjägern auf die Schönheit derselben. Thema ist schliesslich auch der Übergang vom Sammeln möglichst vieler verschiedener Pflanzen im Garten zu ersten architektonisch gestalteten Anlagen.

Im Juli 1991 habe ich in der Zeitschrift „Mein schöner Garten“ ein Inserat mit folgendem Text aufgegeben: „Unterhaltsame Gartenbücher – Zu meiner Lieblingslektüre gehören Gartenbücher, die in Romanform geschrieben sind. Meisterhaft verstanden dies beispielsweise Richard Katz, Karel Capek und Jo Hanns Rösler. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen unterhaltsamen Titeln. Wer verhilft mir zu weiteren vergnüglichen Lesestunden?“

Sie fragen sich, was diese Anzeige mit dieser Buchvorstellung zu tun hat? Nun, in der Folge habe ich verschiedene Gartenliteraturtipps erhalten, darunter eben auch Hinweise auf das Buch „Kaiserkron› und Päonien rot“ von Gabriele Tergit, das aber schon dannzumal längst vergriffen bzw. nur noch antiquarisch erhältlich war. Meine Büchergestelle platzen auch ohne (oder mit nur wenigen) Büchern aus zweiter Hand aus allen Nähten, so dass dieses Buch über zwanzig Jahre einen Stammplatz auf meiner ewigen Wunschliste hatte.

Dank der aktuellen Neuauflage des ersten Teils der Originalausgabe des Buches, kann ich es dort nun herauslöschen  – nicht ohne nach der Lektüre festzustellen, dass sich das lange Warten gelohnt hat. Ein nicht unbedeutender Teil des Charmes dieses Büchleins ist nach meinem Empfinden darauf zurückzuführen, dass es vor über fünfzig Jahren verfasst worden ist. Und zuletzt hoffe ich, dass der zweite Teil der Ausgabe aus dem Jahr 1958 demnächst auch noch neu aufgelegt und die Reihe der immer wieder bemerkenswerten Gartenlesebücher vom Schöffling Verlag noch lange weitergeführt wird.

Gabriele Tergit: 
Der alte Garten 
Schöffling und Co., 2014

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