Wenn den Rosen die Petalen vor Schreck erstarren, wenn nicht die Ohren und Augen, sondern die Stomata aufgesperrt werden und jemandem keine Träne, sondern kein Russtau nachgeweint wird, dann können Leserin und Leser sich dank der Autorin Marketa Haist für einmal so richtig in die Sichtweise der Pflanzenwelt versetzen. Die Redensarten „aus der Nase ziehen“ und „alles Menschenmöglich tun“ heissen dann „aus den unreifen Nasenzwickern ziehen“ und „alles Pflanzenmögliche tun“. Die Kommunikation im Pflanzenreich dreht sich in diesem Landkrimi um die Entlarvung jenes Mörders, der den Gärtner Sepp auf dem Gewissen hat.
Sepp war kein besonders beliebter Zeitgenosse und hat oft und gerne aus Langeweile Streit vom Zaun gebrochen. Heiss geliebt wurde er aber von seinen Rosen, die immer dafür gesorgt haben, dass er sich nicht an ihnen gestochen hat, wenn er mit und an ihnen gearbeitet hat – etwa beim Okulieren oder beim Schneiden von Edelreisern. Und die Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit, denn das Erhalten von seltenen Rosen war Sepp ein grosses Anliegen. Eben hat er ein unschlagbares Angebot für eine praktische ausgestorbene Rose namens „Die Fürstin“ abgelehnt, die nun ihrerseits plötzlich verschwunden ist.
Schwiegersohn Jens hatte es auch nicht leicht mit Sepp. Alle seine Ideen, die Gärtnerei zu modernisieren, prallten am konzeptlosen Seniorchef ab, der neben der üblichen Massenware schon mal für den Förster Buchen vermehrt hat. Als eben dieser Jens den toten Sepp entdeckt, glaubt sogar seine Frau Anni sofort, ihr Mann habe etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun, der erschlagen worden ist. Auch der Holunder, der diesen Krimi erzählt und der ermittelnden Polizei meist einen Schritt voraus ist, hält Jens für einen rücksichtslosen Kerl und kann ihn nicht ausstehen. Doch ist er tatsächlich ein Mörder?
Der Stammplatz des Holunders ist nicht der beste, um wahrnehmen zu können, was alles rundherum passiert. Doch glücklicherweise können sich die Pflanzen bestens untereinander austauschen, womit auch der Nachteil der Unbeweglichkeit bei Seite geräumt ist. Wer hat ein Motiv und profitiert am meisten vom Tod des Gärtners? Ist der Mörder unter den Rosenliebhabern zu suchen und was hat es mit den vom Pfarrer hobbymässig kopierten Urkunden auf sich, die von Beschenkten schon mal illegal als Original verwendet werden? Und dann gibt es noch den langjährigen Streit um ein Stück Land, in den Sepp involviert war, und ganz offensichtlich halten verschiedene Nachbarn bewusst Informationen vor der Polizei zurück.
Nicht alle Pflanzen sind gleichermassen mitteilungsbedürftig, einzelne sind ganz diskret oder zieren sich, dem Holunder ihr Wissen weiterzugeben. Ausserdem herrscht plötzlich Stille und kein Anschluss mehr an die Welt der Blätter, wenn der Gärtner zu viel wegschnippelt und alle Laubbäume werden mit dem Abfallen des Herbstlaubs taub. Wie sich herausstellt, sind auch in der pflanzlichen Kommunikation die richtige Verständigung und minimale Kenntnisse von Fremdwörtern unerlässlich, sonst ist das Ziehen von korrekten Schlüssen unmöglich oder zumindest stark erschwert. Die Sätze in bayerischer Mundart beschränken sich glücklicherweise auf die Aussagen von Anni, sonst wäre die Lektüre für dieses Dialekts unkundige Leser doch recht mühsam.
Die Autorin hat nicht nur den Text verfasst, sondern auch gleich noch die Illustrationen des Krimis beigesteuert. Schon länger gibt es Katzen-, Hunde-, Schafs- und Schweinekrimis und nun also auch einen Pflanzenkrimi. Mal was anderes – letztlich ziehe ich aber nach wie vor die menschlichen Gedankengänge vor.
Marketa Haist:
Röslein tot
Hermann-Josef Emons Verlag, 2013
©2012