Das aktuelle Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Gartenkultur (SGGK) blättert in Gärten wie in Büchern – zurück zu den Anfängen der jeweiligen Anlage, in Umgestaltungen und wirft einen Blick in die Zukunft, die zuweilen mutige Entscheidungen verlangt. Etwa wenn eigene Ideen vom Erfolg überholt werden und durch grosse Nachfrage sowie andere Einflüsse natürliche Ersatzmaterialien immer teurer werden. So passiert in der französischen Prieuré d’Orsan, deren Konzept in der SGGK-Vitrine erläutert wird. Im zweiten Artikel der gleichen Rubrik wird die Geschichte des botanischen Alpengartens Schynige Platte zusammengefasst – von den ersten Ideen und Versuchen über die Gründung eines Trägervereins, der Eröffnung im Jahr 1929 und Erweiterungen bis zu den Zielen der heutigen Anlage.
„Vom bescheidenen Pflänzchen zum eleganten Formschnitt“ heisst der erste Artikel und bezieht sich auf das 30-Jahr-Jubiläum der SGGK und die Entwicklung vom ersten Mitteilungsblatt bis zur vierten (aktuellen) Serie als Topiaria Helvetica ab 2009. Thomas Freivogel blickt zurück und er regt an, frühere Rubriken wie die Samenofferte wieder einzuführen, während Brigitt Sigel unter dem Titel „In den Archiven graben und in der Erde wühlen“ die Aufbauarbeit der langjährigen SGGK-Präsidentin Eeva Ruoff mit Fokus auf die wichtige Verbindung von Gesellschaft und Mitgliedern in Form einer Zeitschrift würdigt.
Auf einer Schifffahrt von Zürich nach Rapperswil zieht in Horgen ein beeindruckendes Gebäude mit altem Baumbestand die Aufmerksamkeit auf sich. Roland Raderschall schildert in seinem Artikel die zum Anwesen gehörende Gartenbiografie, in der von einem Gartenkunstwerk und geschmiedeten floralen Meisterwerken die Rede ist. Von letzterem sind nur noch ein Nebentor und ein kurzes Zaunstück am Originalstandort vorhanden. Beide wurden 2004 in ein Umgestaltungsprojekt integriert und sind zusammen mit dem (fast) weissen Garten ein guter Grund, bei einer nächsten Schiffreise in Horgen von Bord zu gehen.
Der Immunologe und Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel zeigt sich in einem Gespräch von seiner privaten Seite als praktischer Gärtner. Er erzählt von seinem in einem Kälteloch liegenden Zier- und Nutzgarten, in dem er eine stattliche Sammlung von bevorzugt blauen Stauden zusammengetragen hat. Diese hat zumeist selber herangezogen, damit sie dem kalten Kleinklima gewachsen sind. Wenn er beruflich unterwegs ist, hat er oft Gelegenheit sich mit anderen Gärtnern über die gemeinsame Passion auszutauschen und botanische Gärten zu besuchen.
Die Künstlerfamilie Dix, die in der dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts aus politischen Gründen nach Hemmenhofen am Bodensee ziehen musste, auferlegte sich in ihrem Garten keinerlei Beschränkung, sondern erfreute sich einer fröhlichen Mischung aus unterschiedlichen in vielen Farben blühenden Pflanzen. Den finanziellen Möglichkeiten entsprechend wurde entweder mehr Gemüse oder mehr Blumen angepflanzt. Johannes Stoffler berichtet in seinem Artikel über das Leben der Familie im und um den Garten, den altersbedingt einsetzenden Verfall, das Engagement eines Fördervereins und die kürzliche denkmalgerechte Wiederinstandsetzung von Haus und Garten.
Unter dem Jahresthema „Gartenbiografien“ finden sich neben den bereits erwähnten Themen die folgenden Artikel:
- Die Gabe des Vertumnus oder : Von der Lust am Wandel im Garten von Brigitt Sigel
- Was historische Gärten zu erzählen haben von Wenzel Bratner
- La Gara: un jardin en mouvement von Verena Best-Mast
- Der Belvoirpark in Zürich – Chronik des Wandels von Judith Rohrer-Amberg
- Le jardin du manoir de Weck à Villars-sur-Marly von Catherine Waeber
Zwei dieser Beiträge sind in französischer Sprache verfasst und nur eine kurze Zusammenfassung auf Deutsch, während es bei den übrigen Artikeln umgekehrt ist.
Den Abschluss der Publikation bilden wie üblich ausgewählte Buchvorstellungen. Reszensiert werden unter anderem die Titel „Äpfel und Birnen“ Das Gesamtwerk von Kombinian Aigner und „Kunst – Garten – Kultur“ herausgegeben von Stefanie Hennecke und Gert Gröning.
Am Ende dieser Vorstellung über ein anregendes Jahrbuch zitiere ich aus dem Résumé des Artikels „La Gara“, in dem die Verfasserin festhält, «dass sie ihre Gärten nicht als Eigentümer planen will, sondern als Treuhänderin eines Ortes handelt, der sein eigenes Leben hat». Diese Aussage lässt sich hervorragend als Leitmotiv übernehmen. Gärtner und Gestalter sind dazu aufgerufen, sich den Herausforderungen des ständigen Wandels zu stellen, so dass dem Garten oder eben dem Buch weitere Seiten angefügt werden können.
Schweiz. Gesellschaft für Gartenkultur SGGK (Hrsg.):
Topiaria Helvetica 2014 – Gartenbiografien – Orte erzählen
Vdf Hochschulverlag, 2014
©2012