Welcher literarisch interessierte Gärtner würde eine Einladung zum Gartenspaziergang mit Johann Wolfgang von Goethe ablehnen? Zeit seines Lebens (1749 bis 1832) hat sich der Dichter und Gartenfreund intensiv mit den Wundern der Natur auseinandergesetzt – als Gärtner, als Dichter und als Botaniker. Die drei „G“ – Goethe, Ginkgo und Gärten – können als Einheit betrachtet werden. Renate Hücking hat die grünen Seiten aus Goethes Biografie zusammengetragen und unter dem Titel „Mit Goethe im Garten“ veröffentlicht.
Zwar verfügte sein Frankfurter Elternhaus über keinen Garten, doch der Knabe Johann Wolfgang konnte aus der Wohnung eine grosse Fläche von Nachbarsgärten überblicken und erste praktische gärtnerische Erfahrungen vermittelte ihm der Grossvater. Gemäss seinem Tagebucheintrag hat er als 27jähriger Mann seinen (ersten) Garten in Besitz genommen. Als Gärtner war Goethe ständig hinter Neuheiten her und hätte am liebsten jede Einführung selber ausprobiert, was die beschränkten Platzverhältnisse aber verhinderten. Er hatte aber genügend Platz, seine eigenen Gestaltungsideen umzusetzen, und experimentierte mit Ditpam und Lupe, und schaffte es, die Pflanzen zu entflammen (mich würden meine Exemplare reuen…). Aus seinen Tagebüchern ist weiter ersichtlich, dass er häufig in fremden Gärten zu Besuch war, sich mit dem englischen Gartenstil auseinandersetzte und auch sein langer Italien-Aufenthalt hat ihn geprägt.
Mit seiner langjährigen Gefährtin und Ehefrau Christiane Vulpius hat er einen intensiven Briefwechsel geführt, in dem hortikulturelle Themen einen wichtigen Platz eingenommen haben. Da zweifelt etwa die versierte Gärtnerin am Erfolg der Gurkenanpflanzung oder ist betrübt über den Misserfolg mit den Bohnen und beklagt sich über gefrässige Schnecken. Und sie hofft, der Gatte komme bald heim, und könne die schönen Levkojen auch selber noch bewundern. Der anspruchsvolle Goethe wiederum will auch auswärts nicht auf die gute heimische Küche verzichten und bittet schriftlich um Spargel oder andere Köstlichkeiten oder er gibt seiner Partnerin Hinweise zu Pflege und Aussaat von Pflanzen, die er ihr hat zukommen lassen.
Der Leser erfährt, welche Pflanzen damals gerade Mode waren und dass sich die Autorin selber hat inspirieren lassen, aus Goldlack, Aurikeln, Nelken und Pompondahlien ein Goethe-Beet anzulegen. Zwischen das grüne Wissen eingestreut sind immer wieder beliebte Rezepte aus der Goethe-Küche wie Eierkuchen, Laubfrösche aus Mangold und eine Thüringer Kartoffeltorte mit sage und schreibe 18 Eiern. Gelernt habe ich während der Lektüre, dass die Rapontika, mir bekannt als zweijährige Nachtkerze (Oenothera biennis), die hier fast an jeder Strassenecke wild wachsend mit ihren Blüten erfreut, als Gemüse verwendet werden kann. Die Wurzeln sind zwar mühsam zu reinigen, sollen aber gut schmecken.
Der Garten ist für den rastlosen und vielseitig interessierten Goethe ein Rückzugsort, um abzuschalten und sich von seinem Amt und vom Hofleben abzugrenzen. Hier erfreut er sich nicht nur an seinen geliebten Rosen, wenn sie wieder bis unters Dach wachsen, hier beschäftigt er sich auch mit der Möglichkeit einer „Urpflanze“ und dem Bauplan der Pflanzen. Sein letztes Studienobjekt war die heute verpönte Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum), auch Riesenbärenklau genannt, für die er wie bereits hier erwähnt eigens ein Podest errichten liess. Viele Themen werde gestreift und der Einblick in den grünen Goethe wäre nicht vollständig mit Hinweisen auf seine umfangreiche Kunst- und Naturaliensammlung und sein Werk über die Farbenlehre.
Dieses Publikation ist verschwenderisch illustriert mit vielen Fotos von Marion Nickig, aber auch mit Scherenschnitten, Gemälden, Zeichnungen und eindrücklichen Silhouetten. Im Anhang findet sich ein ausführlicher Service-Teil mit den wichtigsten Lebensdaten von Johann Wolfgang von Goethe, Hinweisen zu sehenswerten historischen Gärten in und um Weimar, einem Verzeichnis für weiterführende Literatur, ein Pflanzen- und Personenregister und andere Informationen mehr. Ein hortikulturelles Goethe-Potpourri, in dem der Buchgärtner und die Buchgärtnerin immer wieder gerne schmökern wird.
Renate Hücking:
Mit Goethe im Garten
Callwey Verlag, 2013
©2012