Susanna Tamaro: Geh, wohin dein Herz dich trägt

Die Vermutung, dass dieser Best- und Longseller von Susanna Tamaro in den Sofagarten passen könnte, habe ich einem Hinweis in Ursula Steens Büchlein «Mein grosses grünes Dingsda» zu verdanken. Bestimmt sind über dieses bereits 1995 erstmals auf Deutsch erschienene Buch schon annähernd unzählige Kommentare und Kritiken veröffentlicht worden. Nichtsdestotrotz werde ich diesen eine weitere Buchvorstellung hinzufügen, und zwar wie üblich eine mit Schwerpunkt auf dem hortikulturellen Hintergrund der Lektüre.

Mit dem Tod vor Augen beginnt die plötzlich schwer erkrankte Olga ein Brieftagebuch für ihre derzeit in Amerika lebende Enkelin zu schreiben. Letztere wurde als Kleinkind von der eifersüchtigen Mutter von der Grossmutter so weit als möglich ferngehalten, aber später nach dem frühen Unfalltod der Mutter von der Grossmutter aufgezogen. In ihren Briefen spricht Olga Dinge aus, die sie teilweise während Jahrzehnten als Geheimnis betrachtet hat. Sie erzählt aber auch von ihrer bedingungslosen Liebe zur Enkelin, die auch durch die letzten schwierigen pubertären Jahre nicht geschmälert worden ist. Olga übt auch unverhohlene Selbstkritik und alte Familiengeheimnisse werden offenbart.

Ein Rundgang durch den Garten führt vom Nussbaum zum Kirschbaum, vom Kirschbaum zu den Rosen und von den Rosen zu den hässlichen Pinien am Rand der Wiese. Und gleich auf der ersten Seite des Romans wird auf den Anlass einer Rosenpflanzung zurückgeblickt. Diese ging nämlich zurück auf einen Wunsch der damals zehnjährigen Enkelin, ausgelöst durch die Lektüre des Buches „Der kleine Prinz“.

Die Grossmutter blickt auch zurück auf ihre spät eingegangene eher lieblosen Ehe, in welcher sie wie eine Pflanze ohne Wasser vor sich hin dürstete und sich durch die Tage quälte, bis sie während einer Kur einen anderen Mann kennen lernte. An einer anderen Textstelle wird das Alter Achtzig mit dem Zustand von Blättern im September verglichen, wenn der Baum anfängt Nährstoffe abzuziehen, oder Olga erinnert sich daran, wie ihre Enkelin sie jeweils auslachte, wenn sie Baumstämme streichelte.

Dann schilt sich Olga selber für den nicht ganz abwegigen Gedanken, dass es sich doch nicht mehr lohnt, noch mehr Blumen in den Garten zu pflanzen, da sie vielleicht den nächsten Frühling gar nicht mehr erleben wird. Energisch schiebt sie diese Denkweise aber sorfort wieder beiseite: ihre Enkelin wird den Frühling wohl noch oft sehen und sich an den Pflanzen erfreuen können.

Schliesslich ermuntert Olga ihre Enkelin, sich in schweren Zeiten immer aran zu erinnern, wie Bäume wachsen. Wurzeln und Krone müssen unbedingt in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen, so dass sie zur rechten Jahreszeit blühen und Früchte tragen können. Und sie soll auf ihr Herz hören, das ihr den Weg zeigt, den es einzuschlagen gilt und nie vergessen, dass alle Dinge nicht nur schwarz und weiss sind, sondern alle Farben und unterschiedliche Schattierungen mit sich bringen.  

Susanna Tamaro: 
Geh, wohin dein Herz dich trägt 
Diogenes Verlag, 1995/1998

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