Holger Schaeben: Es ist ein hartes Leben in der Provinz – Aber einer musste es tun

In fünfunddreissig Glossen erzählt der Autor Holger Schaeben von seinem Umzug vom Rheinland nach „Down-Under-Deutschland“ sowie dem Abbruch des Selbstversuches und den Gründen, die dazu geführt haben. Schon gleich von Beginn weg fällt bei den konkreter werdenden Umzugsplänen Richtung bayerisches Oberland immer wieder das Wort „Ende“ – ein schlechtes Omen? Jedenfalls scheitert die Verwirklichung der Idee „Träume nicht dein Landleben, lebe den Landtraum!“ schon recht bald und ich konnte mich während der Lektüre des Öfteren nicht des Eindruckes erwehren, dass es gar nicht anders herauskommen konnte mit dieser innerdeutschen Integration. Aber nun schön der Reihe nach.

Mitten in einem Sommer werden die Pläne in die Tat umgesetzt. Der Möbelwagen steht vollgepackt vor der Tür des neu gebauten Hauses. Aber in diesem neuen Daheim ist noch etliches unfertig und so startet das Landleben mit dem Koordinieren, Antreiben, Beaufsichtigen und dem Bezahlen von verschiedenen Handwerkern. Die damalige Lage inklusive finanzieller Sorgen beschreibt der Autor rückblickend kurz und treffend mit den Worten (Zitat): „Wir waren jetzt im Gebirge und hier in ein betriebswirtschaftliches Tal geraten“. Und mit diesen Problemen ging der Sommer zu Ende und der Herbst zog ein.

Die Mängelliste mit einundvierzig Positionen wurde nach und nach kleiner und nicht alle Erlebnisse mit Baufachleuten waren so nervenaufreibend wie jene mit dem Maler, der den nicht gerade schmeichelhaften Übernahmen „Fritz die Pottsau“ erhalten hat. Ebenfalls unter Erfahrungen abgebucht werden können die Bekanntschaften mit den verschiedenen Arten von Fliegen: Stubenfliegen, Pferdefliegen, Dungfliegen, Dasselfliegen, Schwingfliegen und Schwebefliegen.

Und war der harmlose Gruss „Schönes Wochenende“ in der Stadt ein Synonym für Vergnügen, Erholung und Ruhe entwickelte er sich auf dem Land zu einer Androhung für die Erfüllung von unzähligen Pflichten wie Rasenmähen, Unkraut jäten, Rasenkanten stechen und düngen. Auch Holzhochstapeln will gelernt und vor allem zeitig vor dem ersten Schneefall erledigt sein. So verabschiedete sich der Autor mit seinem Umzug von der Stadt aufs Land ziemlich schnell von seinen Vorstellungen, die eher diffus und insbesondere überaus positiv waren – nämlich so ganz nach dem Motto „malerisches Landleben mit Grillzirpen“.

Bald stellte sich heraus, dass die Zeit, die in der Stadt immer und überall zu knapp bemessen war, auf dem Land zu kriechen schien. Die Entschleunigung war ein paar Takte zu rigoros. Und nicht jeder ist schliesslich dazu geschaffen, bei minus zwanzig Grad zum Bäcker zu stapfen, ohne dass dabei Gedanken aufkommen, was wohl um alles in der Welt Amundsen und Scott Richtung Südpol getrieben hat.

Hortikulturelles gibt es in diesem pointiert formulierten Buch wenig zu lesen. An einer Stelle wird von einem Gemeindeangestellten vom Bauhof berichtet, der mit einer Art Karussellauto schmalspurige Spuren in eine Saatfläche walzt und der Autor forscht über Dahlien nach, weil diese ab 2005 Mittelpunkt einer „Land-der-Ideen-Kampagne“ waren und erwähnt dabei kletternde Dahlien (gibt’s die wirklich?). Holger Schaeben schreibt auch wiederholt über die alle zehn Jahre stattfindende Grossveranstaltung „Passionsspiele“ in Oberammergau samt Hintergrund und verbindet diese mit einem hübschen Wortspiel zum Fazit seiner oberbayrischen Zeit (Zitat): „Für uns gab es keine Passionsfrüchte zu ernten“. Über zwischenmenschliche Beziehungen, Begegnungen, Bekanntschaften oder gar neue Freundschaften schweigt sich der Autor grossmehrheitlich aus, bedankt sich aber am Ende der Nachrichten bei ein paar Männern und Frauen fürs Kennenlernen.

Zum Abschluss dieser als unsachliches Sachbuch bezeichneten Nachrichtensammlung betont der Autor ausdrücklich, dass Oberammergau keine Schuld an den Enttäuschungen aufgrund falscher Erwartungen und Vorstellungen hat, was in den einzelnen Nachrichten zuweilen auch leicht anders interpretiert werden könnte. Immerhin war die Luft besser als im Rheinland.

Holger Schaeben: 
Es ist ein hartes Leben in der Provinz – Aber einer musste es tun 
Edition Octopus, 2013

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