Nikola Hahn – Der Garten der alten Dame

Elis Leben wird gerade völlig auf den Kopf gestellt. Ihre Eltern haben sich getrennt uns so muss sie sich an eine neue Wohnung, eine neue Schule und an neue Klassenkameraden gewöhnen. Ihr ganzes neues Leben kann Eli mit einem Wort umschreiben: doof! Nicht einmal die Aussicht aus ihrem Zimmer gibt was her. Während sie zuvor auf eine alte knorrige Stieleiche blicken konnte, sieht sie nun nur öde Dächer. Vor allem aber vermisst sie Papas Geschichten, denen sie immer so gerne zugehört hat. Aber ihn sieht sie nun nur noch am Wochenende und die Mutter ist oft unaufmerksam und hat keine Zeit für die Tochter.

In der Schule schliesst sie sich an Emma an, obwohl die beiden so gar nichts gemeinsam zu haben scheinen. Ausser vielleicht der Tatsache, dass beide keine anderen Kolleginnen haben und deshalb ab und zu zusammen Hausaufgaben machen. Emma ist zwar sehr nett, aber für Elis Geschmack ist sie viel zu brav. Als Eli mit ihrer neuen Klassenkameradin nach Hause läuft, weckt ein hinter einer Mauer versteckter Garten ihre Aufmerksamkeit. Emma spricht von einem Schandfleck und meint, dort gäbe es nur Unkraut und ein kaputtes Haus, dessen Besitzerin Frau Meyer schon vor Jahren gestorben ist. Elis Neugierde aber ist entfacht und nachdem sie vom Balkon vor Emmas Zimmer aus einen Blick in den zugewucherten Garten hat werfen können, möchte sie unbedingt einen Weg hinein finden.

Dieser versteckte Garten zieht Eli in seinen Bann, denn er erinnert sie an die Geschichte über einen alten Garten, die ihr der Vater dreimal vorgelesen hat. Das Mädchen verschafft sich Zugang durch einen schmalen Spalt in der Mauer, der umrahmt ist von dürren Ästen und dornigen Ranken. Jenseits der Mauer leuchten die Büsche in herbstlichen Farben, die Blumen sind von Unkraut überwuchert, das Gras steht kniehoch und mitten drin steht ein Kirschbaum. Und Eli wird bereits von einer alten Frau in einem Schaukelstuhl erwartet und mit ihrem Namen begrüsst.

Während Emma weiterhin lieber mit ihren Puppen spielt, schlüpft Eli, so wie ihr es Frau Meyer prophezeit hat, immer öfter durch den Mauerspalt in den Garten, der sich zu ihrem ganz persönlichen Zauberreich und Rückzugsort entwickelt hat. Sie plaudert jeweils mit Frau Meyer und das Scheidungskind erfährt mit Erstaunen, dass diese sechsundsechzig Jahre verheiratet gewesen ist und drei längst erwachsene Kinder hat. Eli macht auch die Bekanntschaft eines Trolls namens Nikodemus und der rostigen Eisenbahn Rudi-Luigi. Sie schärft ihren Blick für Käfer, Spinnen, Blattläuse, Libellen und Amseln. Sie legt ein eigenes Blumenbeet an und sie misshandelt ein Olivenbäumchen mit ihrer Schnittkunst. Bei der Auswahl der Pflanzen wird sie von einer geduldigen Blumenfrau in einem Blumenladen um die Ecke beraten, wo sie ebenfalls einen Teil ihrer Freizeit verbringt.

Der fantasievolle Roman ist ein gelungener Mix aus Magie und Märchen mit philosophischen Einflüssen und der Epilog bildet einen schönen und überaus passenden Abschluss. Die Autorin erläutert im Anhang zum Buch ihre Inspirationsquellen und wer gerne mehr über sie und ihren eigenen Garten erfahren will, schaut in ihre Wikipdia-Seite. Warum ständig darüber sinnieren, was in Zukunft alles schief gehen kann? Eli lernt, das Jetzt zu geniessen und keine kostbaren Stunden zu vergeuden. Die Gartenbewohner bringen ihr auch bei, die Dinge nicht so zu wünschen wie sie gewesen sind, sondern so wie sie werden sollen und dass einem Materielles wieder genommen werden kann, aber die eigenen Gefühle nicht.

«Der Garten der alten Dame» ist ein berührendes Buch, das mich immer wieder in vor Jahren gerne gelesene Bücher geführt hat («Der alte Garten» von Marie-Louise Kaschnitz und der „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Expupéry). Das Buch ist übrigens in verschiedenen Jahreszeiten-Ausgaben mit unterschiedlicher Ausstattung erhältlich.  

Nikola Hahn: 
Der Garten der alten Dame 
Thoni Verlag/Eigenverlag, 2013

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