Gleich vorweg: Botanisches, Florales oder Hortikulturelles gibt’s in dieser Kolumnensammlung nicht zu lesen. Katja Walders Zeilen über ihre Beobachtungen von Mitreisenden in den Montags- und Donnerstagausgaben im „Blick am Abend“ lese ich jeweils immer als erstes in der abendlichen Gratiszeitung. Und letzthin habe ich an einem Stadttalk die sympathische Autorin persönlich erlebt und bei dieser Gelegenheit etliche, ja fast beängstigend viele Parallelen zwischen ihr und der Sofagärtnerin im Zusammenhang mit Pseudonymen und auch anderem festgestellt.
Die Autorin nimmt sich selber nicht so wichtig und steht nicht besonders gerne im Rampenlicht. Dieser Eindruck hat sich bei mir noch verstärkt beim Anschauen der Schlussmomente beim Verlassen der Glasbox anlässlich der letzten Aktion von „JRZ – Jeder Rappen zählt“. Das zeigt sich aber auch in der Kolumne „Von Worten und Wörtern“ wenn die Beobachterin lapidar schreibt, dass an dieser Stelle eben ans Licht kommt, warum es Dürrenmatt in die grossen Bibliotheken geschafft hat und Katja Walder nur in eine Pendlerzeitung.
Die kurzen Kolumnen lösen wiederholt Kopfschütteln und Erstaunen aus, etwa der Sofatransport mit Bus und Zug oder eigene Kindheitserinnerungen werden wach und die Erkenntnis, dass auch anderen die Worte „Milch-Lait-Latte“ auf der Milchverpackung in Fleisch und Blut übergegangen sind. Eine kleine Verbindung zur Sofagärtnerin gibt’s im Beitrag „Der Mann aus Istanbul“, in der das Buch „Herr Adamson“ von Urs Widmer eine Rolle spielt, das ich hier vorgestellt habe. Am besten lesen Sie aber selber nach, wer eine Affäre mit Grosi Rosi hatte, womit sich wahre Freundinnen auszeichnen oder eben auch nicht und was es mit dem Bratwurst-Massaker auf sich hat. Eingebettet zwischen die Kolumnen sind s/w-Pendler-(Schoss)aufnahmen von Markus Maurer alias @kusito.
„Abgefahren“ ist die perfekte Pendlerlektüre – kurz und oft sehr witzig. So witzig, dass man aufpassen muss, beim Lesen der Kolumnen nicht glucksend erwischt zu werden. Zum einen wegen den komischen Blicke der Sitznachbarn und ausserdem weiss man ja nie, wer mitfährt und unbemerkt die Ohren spitzt. Manchmal – beispielsweise in den Kolumnen „Pendler-Quiz“ oder „Pendlertraum – habe ich mir aus lauter Neugierde mehr Hintergrundwissen à la Stadttalk zu den einzelnen Geschichten gewünscht, um zu erfahren, ob die eine oder andere Episode tatsächlich sogenanntes „Pendler-Real-Life“ ist oder was ausgeschmückt worden ist.
In den letzten Wochen habe ich praktisch alle Donnerstagkolumnen verpasst. Nicht zuletzt deshalb hoffe ich auf weitere Kolumnen in Buchform. Wenn dannzumal die Geschichten „Der Mann mit der Rose“ und „Sorry Kurt“ drin sind, gibt es überhaupt keinen Grund, auf die Lektüre zu verzichten. Nun verbleibt mir nur noch, bei der nächsten Sportrunde oder beim nächsten Spaziergang die Augen ganz weit aufzumachen. Mal schauen, ob ich dann vor der Haustüre noch etwas vom ländlichen Hegi aus der „Kriegerklärung an Effretikon“ finden kann.
Katja Walder:
Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder – Pendlergeschichten
Limmat Verlag, 2012
©2012