Paul Stalder: Ds Läbeslied u angeri Gschichte für ufem Gartebänkli

Zehn berndeutsche Geschichten mit mehr oder auch mal geringerem hortikulturellen Hintergrund hat der Autor und Gärtner Paul Stalder unter dem Titel „Ds Läbeslied“ veröffentlicht. Ich habe nicht herausfinden können oder vielleicht überlesen, ob diese erfunden sind oder auf wahren Begebenheiten und Erlebnissen beruhen. Falls ersteres zutrifft, sind sie jedenfalls sehr echt und detailgetreu verfasst. Ich neige allerdings dazu, von Nacherzählungen auszugehen. Die Geschichten handeln von tragischen Schicksalen, vom Alltag und davon, wie immer wieder nach dunkeln Wolken – also schweren Zeiten im Leben – die Sonne wieder scheint und nach Unfrieden endlich so etwas wie Freude oder sogar Dankbarkeit aufkommt.

Da wären etwa zwei Jungbauern, von denen einer nach einem Sturz querschnittgelähmt bleibt und der andere nach einem Zeckenbiss wochenlang zwischen Leben und Tod schwebt. Während der eine seine Lebensfreude im Singen findet, freut sich eine andere an blühenden Blumen und schönem Gemüse im Garten. In einer anderen Geschichte wird von einer Bauersfrau berichtet, die sich mit viel mehr Hingabe um ihren Pflanzblätz kümmert als um den eigenen Mann und der bei jeder Gelegenheit vor ihren Befehlen ins Wirtshaus flüchtet. Oder man liest von einem stolzen und sturen Labrador und einer nach einem schweren Unfall behinderten Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Die ausgezeichnete Naturbeobachterin ist eine tolle Bäckerin und weiss ihren grünen Daumen gut einzusetzen. Wen interessieren da noch die bescheidenen Mathematikkenntnisse, die während der Schulzeit eine Bürde darstellten?

Dann gibt es den Bauern, der unermüdlich versucht, verschiedene Apfelsorten auf Weissdorn zu pfropfen, weil die Wurzeln der Apfelhochstämme immer wieder von den Mäusen angefressen werden und den Rückblick auf einen schwierigen Start im Haus der Schwiegermutter anlässlich der Abschlussfeier der eigenen Tochter an der Bäuerinnenschule. Perfekt und sauber war der Garten, ohne ein einziges Unkraut. Aber fehlende menschliche Wärme prägte und überschattete die ersten Ehejahre.

Vergissmeinnicht erinnern einen anderen an die eigene schwere Jugendzeit, als er als Verdingkind ein verstecktes Gärtchen angelegt hatte mit Rüebli, Zwiebeln und eben Vergissmeinnicht. Als der Meister das Beet entdeckte, zertrampelte er wütend sämtliche Pflanzen und kein bisschen Grünzeug blieb übrig. Nur die Saat, sprich die Liebe zum Gärtnern, war bereits gelegt und kann sich schliesslich in einer strengen, aber schönen Lehre weiter entfalten.

Ich lese eigentlich überhaupt nicht gerne Mundarttexte. Wahrscheinlich, weil ich mich dabei jeweils viel genauer auf das Geschriebene konzentrieren muss und ich mich ganz einfach nicht an Dialekttexte gewöhnt bin. Doch auch wenn mir der eine oder andere Berner Ausdruck nicht geläufig war, liess sich diese Lektüre ganz „ring“ lesen. Schade, sind die beiden anderen Bücher mit gärtnerischem Hintergrund („Gärten und Menschen“ und „Vom Läbe zeichnet“) des gleichen Autors nicht mehr lieferbar.  

Paul Stalder: 
Ds Läbeslied u angeri Gschichte für ufem Gartebänkli 
Eigenverlag, 2011

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