Der Ich-Erzähler hat sehr lange gebraucht, um über den plötzlichen Tod seiner Frau Gisela, seiner Schwester und seines Schwagers beim Zugunglück in Eschede hinwegzukommen und den Alltag neu zu ordnen. Inzwischen frühpensioniert hat er zu einer gewissen Normalität zurückgefunden. Regelmässig besucht er das Grab von Gisela, schmückt es mit frischen Blumen und hält Zwiesprache mit ihr oder plaudert gerne mit den Nachbarn.
Auf diesem strukturierten Tagesablauf liegen seit ein paar Wochen dunkle Schatten – immer wieder wird der Erzähler von heftigen Kopfschmerzen geplagt. Nach verschiedenen Untersuchungen lautet die unumstössliche Diagnose: inoperabler Hirntumor, verbleibende Restlebenszeit eher weniger als ein Jahr. Fragen über Fragen – Angst mischt sich mit der Vorfreude auf ein Wiedersehen mit Gisela. Was soll er mit diesen letzten geschenkten Monaten anfangen? Vielleicht etwas Besonderes unternehmen? Gibt es tatsächlich keine Chance auf Heilung? Wie werden die letzten Tage sein? Wie soll er seiner Tochter Sylvia von seiner Krankheit erzählen? Was ist wirklich wichtig, was völlig unwichtig?
Während die (Nicht-)Reaktion der Tochter sehr enttäuschend ausfällt, findet der kranke Mann in Ute, der Frau des Friedhofgärtners, unerwartet eine zuverlässige Freundin. Er entdeckt, dass Herzenswärme wichtiger ist als Intellekt. Auf einer mehrtägigen Reise nach Budapest, bei der er von Ute begleitet wird, kann er seine Krankheit fast vergessen. Die Wirklichkeit holt ihn daheim aber umso heftiger ein und es heisst an einer Stelle im Buch treffend (Zitat): „ja, irgendwann ist einfach mal Ende, so ist das“.
Die Text kann nicht verbergen, dass kein Verlag mit professionellem Lektorat daran herumgefeilt hat. Die Geschichte ist aber sehr einfühlsam geschrieben. Die Leserin hat sich bei der Lektüre oft gefragt, woher das Detailwissen stammen und was an dem „Melodram“ (auto)biographisch sein mag.
Karl Piepenbrock:
Die Frau des Friedhofgärtners
Books on Demand, 2011
©2012