An ihrem (angenommenen) 18. Geburtstag kommt Victoria Jones in ein Übergangsheim. Statt sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, legt sie in einem Park in San Francisco aus in Vorgärten, Spielplätzen und Schrebergärten ausgegrabenen Pflanzen einen Garten an und wird kurz darauf obdachlos, da sie die Miete nicht mehr bezahlen kann. Die Jahre davor ist die junge Frau zwischen Pflegefamilien und Waisenhäusern herum geschubst worden. Die bisher beste Zeit ihres Lebens hat sie als zehnjähriges Mädchen verbracht. Verschiedene Umstände haben aber die geplante Adoption durch Elisabeth verhindert. Die Sprache der Blumen aus dem viktorianischen Zeitalter ist neben einem Blumenbuch alles, was Victoria aus diesen Monaten geblieben ist – Erinnerungen an den einzigen Menschen, der sie bedingungslos geliebt hat.
Ihre Erfahrungen und Erlebnisse haben Victoria in eine zurückhaltende und schweigsame Frau verwandelt. In der Sprache der Blumen hat sie eine Kommunikationsform gefunden, die ihr entspricht. Jedoch eine ziemlich einseitige – wer kennt heutzutage schon noch die genaue Bedeutung von Erika (Einsamkeit), Geissblatt (Hingabe) oder Akazie (heimliche Liebe)? Doch eben diese Einseitigkeit vermittelt Veronica Sicherheit. Wenn nämlich niemand antwortet, sind weder Zurückweisungen noch Vertrautheit möglich.
Victorias florale Kenntnisse verschaffen ihr schliesslich eine Anstellung in einem Blumenladen und sie kann ihre Bleibe im Park unter Büschen durch eine Art Wohnschrank ersetzen, wo auch ihre wenigen Habseligkeiten, hauptsächlich botanische Bücher und viktorianische Gedichtbände, Schutz finden. Die blumigen Kunstwerke der jungen Frau entwickeln sich rasch vom Geheimtipp zum „must-have“. Und auf dem Blumengrossmarkt lernt Victoria einen Händler kennen, der ihre Sprache spricht. Mit Blumen werden Botschaften ausgetauscht. Gibt es für die junge Frau vielleicht doch eine Zukunft ohne Bindungsängste und mit viel Liebe?
Der Roman wird in parallel verlaufenden Erzählsträngen aus der Sicht des Mädchens Viktoria und der erwachsenen Victoria erzählt. Vanessa Diffenbaugh ist eine einfühlsame Geschichte über Mütter-Tochter-Verbindungen gelungen. Ihre eigenen Erfahrungen als Mutter und Pflegemutter stehen für die Authentizität. Am Schluss des Buches ist „Victorias Wörterbuch der Blumen“ abgedruckt (nicht jede Blume hat in den verschiedenen existierenden Büchern über die Sprache der Blume dieselbe Bedeutung). Sehr lesenswert!
Vanessa Diffenbaugh:
Die verborgene Sprache der Blumen
Droemer Verlag, 2011
©2012