Haben Sie auch ungeduldig darauf gewartet, zu erfahren wie die Begegnung zwischen Lieselotte und Deboo verlief? Da diese Buchvorstellung aus dem Sofagarten stammt, dünkt es mich passend, die Fortsetzung mit dem schönen Absatz aus einem der letzten Briefe von Hans an seine reisende Ehefrau Lieselotte zu beginnen. Deboo hatte einmal erklärt, mit Lieselotte die schönste Rose der ganzen Welt erhalten zu haben. Ihr Ehemann Hans sieht sich als Gärtner, der dem Inder diese Kostbarkeit zur Freude an Duft und Anblick überlassen hat. Hans selber ist sich bewusst, dass ihn nach der Rückkehr seiner Frau von dieser mehrmonatigen Reise durch Indien Dornen stechen werden, er hofft aber gleichzeitig, dass seine Rose im norddeutschen Klima nicht zu welken beginnt. Diese Befürchtungen haben durchaus ihre Berechtigung – aber nun zurück an den Anfang von Teil 2 des Wunscherbes.
Das Buch beginnt mit einem Auszug aus Lieselottes Tagebuch vom September 1956. Die 37jährige Mutter von vier Kindern ist mit ausdrücklicher Unterstützung ihres Ehemannes Hans inzwischen im Zug unterwegs von Bombay nach Kalkutta, um endlich ihre grosse Liebe Deboo wiederzutreffen.
Zunächst scheinen die Rollen zwischen Hans und Deboo vertauscht. Während der indische Botaniker seine Lieselotte nun in physischer Nähe hat, muss Hans sich mit der Aufgabe als Korrespondent begnügen. Der rege und sehr offene Briefwechsel zwischen den Eheleuten erscheint mir als Aussenstehenden mit einer speziellen Form einer Ehetherapie vergleichbar. Auf Papier werden Dinge ausgesprochen, für die im Alltagstrott Zeit und Worte fehlen. Und immer wieder wunderte ich mich als Leserin über die Stärke von Hans, seine Frau ziehen zu lassen. In seinen Briefen kommt allerdings auch die weiche Seite dieses Strategen ausdrücklich zum Vorschein.
Trifft Deboos Aussage zu, dass Lieselotte die glücklichste Frau der Welt sein muss? Sie, die von zwei Männern derart heftig geliebt wird, ohne dass die beiden eifersüchtig aufeinander sind? Und wie ist in diesem Zusammenhang Hans‘ Wortkonstruktion „Neben-De-booler“ zu werten? Lesen Sie selber diese deutsch-indische Liebesgeschichte und erfahren Sie, welche Tragödie dazu führte, dass aus Deboos Familie niemand mehr einen Fuss in den Botanischen Garten von Kalkutta setzen wollte.
Teil 2 ist in Sachen Spannung dem ersten Band ebenbürtig und hat mir mindestens gleich gut gefallen. Die biografische Dokumentation lässt einem auch nach der Lektüre nicht ganz los, und ich habe mir schon ein paarmal überlegt, in welchen Bahnen das Leben von Dietlinde Hachmann und ihrer Familie wohl verlaufen wäre, wenn die im Frühling 1957 geschmiedeten Pläne umgesetzt worden wären. Und wieviele solche oder ähnliche erzählenswerte Geschichten gehen tagtäglich ungeschrieben verloren?
Den gärtnerisch interessierten Leserinnen und Lesern möchte ich nicht vorenthalten, dass Lieselotte in einem Brief einen Besichtigungsgang durch Garten und Pflanzungen von D.S. Pradhan erwähnt und anmerkt, dass aus dessen Winteraster- und Chrysanthemen-Züchtungen zwei Sorten ausgewählt wurden, die ihren Namen tragen sollen. Ob es diese wohl noch gibt?
Dietlinde Hachmann:
Mein Wunscherbe – Teil 2: Im Land meiner Träume
Acabus Verlag, 2010
PS: Falls Sie sich nochmals in die Rezension zum Teil 1 vertiefen wollen, klicken Sie hier.
©2012
… vielen Dank für die Blumen!
Und PS für M.: falls du das liest – vielleicht überlegst du dir das mit den Notizen ja doch nochmals!
Eine EINMALIG schöne, gute und doch so einfühlsame Rezension! Das Buch -in beiden Bänden- hat mich tief bewegt und GERADE dieser Aspekt "Wieviele Geschichten und Geschichtchen gehen da wohl tagtäglich verloren" lässt mich seit diesen beiden Büchern kaum mehr los! Eine fast schon schreiende Stimme in mir reut es unendlich, dass ich die Chancen vertan habe, das Leben meiner Großmutter und Mutter doch nie dokumentiert zu haben. Was da an Lebenserfahrung und spannenden Geschichten verloren gegangen ist – unwiederbringlich! Ein Jammer und ich möchte am liebsten jeden wachrütteln, dem sich solche Chancen noch bieten!Doch bis dahin liegt es mir am Herzen hier zumindest ein ganz respektvolles »Chapeau« zu hinterlassen und der Autorin ein tiefes DANKESCHÖN für die vielen Stunden der Arbeit und Recherche – sie gaben MIR (und übrigens auch meiner Frau und Tochter) etliche Stunden in einer ganz wundervollen spannenden und fernen Welt!
http://www.r-quadrat.info